Berlin (epd). Dem Barmer-Arzneimittelreport 2020 zufolge gibt es in Deutschland gravierende Informationslücken zwischen den medizinischen Behandlungsbereichen. "In Jahrzehnten ist es nicht gelungen, die Versorgung über die Sektorengrenzen hinweg besser zu organisieren", sagte Vorstandsvorsitzender Christoph Straub bei der Vorstellung der neuen Studie am Donnerstag in Berlin. Besonders gefährdet seien Millionen von Polypharmazie-Patienten, die gleichzeitig mehrere Arzneimittel einnehmen müssen.
Häufig würden wichtige Informationen zum Patienten, zum Beispiel zur Medikation, dem Krankenhaus gar nicht vorliegen, erläuterte Straub. Aber auch nach Entlassung aus der Klinik würden Patient und weiterbehandelnde Ärzte nicht ausreichend über Therapieänderungen informiert.
Den Angaben nach waren allein im Jahr 2017 bundesweit 2,8 Millionen Personen am Tag ihrer Klinik-Aufnahme Polypharmazie-Patienten. Gerade bei dieser besonders gefährdeten Gruppe komme es bei der Aufnahme ins und der Entlassung aus dem Krankenhaus häufig zu Informationsdefiziten mit schlimmstenfalls lebensbedrohlichen Folgen aufgrund von Behandlungsfehlern, hieß es.
So hatten nur 29 Prozent der Patienten bei der Klinikaufnahme den bundeseinheitlichen Medikationsplan, der Informationsverluste zwischen den behandelnden Ärzten verhindern soll. 17 Prozent verfügten über gar keine aktuelle Aufstellung ihrer Medikamente. Das ergab eine Umfrage unter rund 2.900 bei der Barmer versicherten Polypharmazie-Patienten im Alter über 65 Jahren ergeben.
"Es ist unverständlich, dass die Aufnahme in ein Krankenhaus als millionenfacher Prozess so fehleranfällig ist. Das kann lebensgefährlich sein. Es muss verhindert werden, dass Patienten aufgrund von Informationsdefiziten zu Schaden kommen", betonte Straub.
"Eine Arzneitherapie kann nur erfolgreich sein, wenn der Patient sie versteht und mitträgt. Dazu muss er sie entsprechend erklärt bekommen", sagte der Autor des Arzneimittelreports, Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücken.