Köln (epd). Nach einem Lagebild des Bundesamts für Verfassungsschutz sind neben Rechtsextremisten auch Islamisten für viele antisemitische Straftaten verantwortlich. Nach dem Rechtsextremismus seien - wenn auch mit großem Abstand - die meisten antisemitischen Straf- und Gewalttaten Islamisten zuzurechnen, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Lagebild Antisemitismus. Während im Rechtsextremismus die zumeist rassistisch begründete Judenfeindschaft überwiege, beruhten islamistische Vorurteile gegen Juden auf dem antizionistischen Feindbild des "Judenstaats Israel". Grundsätzlich sei Judenfeindschaft in allen extremistischen Bereichen verbreitet, auch im Linksextremismus.
Der antizionistische Antisemitismus stelle aktuell die bedeutendste Form der Judenfeindschaft dar, heißt es in dem Lagebild. Der sogenannte sekundäre und antizionistische Antisemitismus leugnet das Existenzrecht Israels oder denunziert den Staat Israel als illegitim. Diese Ausprägung der Judenfeindschaft sei wie keine andere Erscheinungsform an aktuelle Debatten einer breiten Öffentlichkeit anschlussfähig. "Im Kontext regelmäßig wiederkehrender Debatten über die politische Situation in Nahost können antisemitische Aussagen einen weniger anrüchigen und stigmatisierenden Charakter annehmen", heißt es in dem Papier. Dies liege vor allem an der weit verbreiteten Unsicherheit, wo legitime Kritik am Handeln der israelischen Regierung aufhöre und antisemitisch grundierte Israelfeindlichkeit beginne. Beispielsweise werde behauptet, dass Israel zu kritisieren ein Tabu darstelle, das man nur um den Preis brechen könne, danach ungerechtfertigt als Antisemit abgestempelt zu werden.
In dem Lagebild wird außerdem die "unvermindert hohe und tendenziell steigende" Bedeutung Sozialer Medien für die Verbreitung antisemitischer Propaganda und für Radikalisierungsprozesse bis hin zu judenfeindlichen Übergriffen und Anschlägen betont. Antisemitismus sei in keiner Weise ausschließlich ein Problem von Juden, sondern der deutschen Gesellschaft insgesamt, er stelle eine "ernsthafte Bedrohung für die Demokratie" dar. Antisemitismus wird nach Ansicht des Bundesamts für Verfassungsschutz auf absehbare Zeit ein wesentliches Thema bleiben.