Frankfurt a.M./Burriana (epd). "Ärzte ohne Grenzen" wird wieder bei der zivilen Seenotrettung im zentralen Mittelmeer mithelfen. Die Organisation werde bei der ersten Mission des überwiegend aus kirchlichen Spenden finanzierten Seenotrettungsschiffs "Sea-Watch 4" die medizinische Versorgung an Bord übernehmen, teilte "Ärzte ohne Grenzen" am Donnerstag mit. Das Schiff, das im Auftrag des zivilen Bündnisses "United4Rescue" von Sea-Watch betrieben wird, soll in Kürze auslaufen. Ein genaues Datum teilte Sea-Watch nicht mit.
Das medizinische Versorgungsteam besteht den Angaben zufolge aus vier Personen: einer Ärztin, einer Hebamme und zwei Krankenpflegern. Auch die restliche Crew der "Sea-Watch 4" bereitet sich derzeit auf den Einsatz vor. Teile der Besatzung absolvieren noch die vorgeschriebene Quarantäne, bevor Trainingsfahrten beginnen. Das ehemalige Forschungsschiff wurde im spanischen Hafen Burriana umgebaut. Ursprünglich sollte die "Sea-Watch 4" bereits im April auslaufen, doch durch die Corona-Pandemie verzögerte sich die erste Mission.
Jeder Gerettete, der an Bord komme, werde medizinisch untersucht, sagte Oliver Behn von "Ärzte ohne Grenzen" am Donnerstag. Es werde Temperatur gemessen, und Menschen, die Anzeichen einer Covid-19-Infektion zeigten, würden isoliert. Sollte es einen Corona-Fall an Bord geben, würden die Behörden informiert. "Corona entbindet uns nicht von der Pflicht, Menschen zu retten und in einen sicheren Hafen zu bringen", sagte Behn. Im Frühjahr hatte "Ärzte ohne Grenzen" die Zusammenarbeit mit der Seenotrettungsorganisation "SOS Mediterranée" beendet, die das Rettungsschiff "Ocean Viking" betreibt. Behn sagte, das zentrale Mittelmeer sei die "tödlichste Seegrenze der Welt".
Derzeit seien keine zivilen Seenotrettungsschiffe im zentralen Mittelmeer im Einsatz, sagte Marie Naaß von Sea-Watch. Aufklärungsflüge hätten in den vergangenen Wochen mehr als 2.000 Menschen vor der libyschen Küste in Seenot gezählt. Das politische Versagen der Europäischen Union werde im zentralen Mittelmeer jeden Tag sichtbar, sagte Naaß. Sie sprach von einer "rassistischen Abschottungspolitik" der EU.
Die Pastorin Sandra Bils vom Vorstand des Trägervereins von "United4Rescue" betonte, das Sterben auf dem Mittelmeer sei ein "Armutszeugnis für Europa". Seenotrettung sei die Aufgabe der EU und ihrer Mitgliedsstaaten. Das Bündnis "United4Rescue" hatte im Dezember und Januar innerhalb von wenigen Wochen Spendengelder für den Kauf der "Sea-Watch 4" gesammelt. 1,3 Millionen Euro kostete die Anschaffung, 1,1 Millionen Euro steuerte das Bündnis bei.