Konfliktforscher: Weitere Eskalation zwischen Türkei und Ägypten droht
03.08.2020
epd
epd-Gespräch: Mey Dudin

Berlin/Brüssel (epd). Die Spannungen zwischen der Türkei und Ägypten stellen nach Worten des Konfliktforschers Riccardo Fabiani eine wachsende Bedrohung für die Region dar. Seit acht Monaten sei eine diplomatische und militärische Eskalation zu beobachten, sagte der für Nordafrika zuständige Mitarbeiter der International Crisis Group dem Evangelischen Pressedienst (epd). Für die kommenden Wochen und Monate werde hier die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung am höchsten eingeschätzt.

Die Beziehungen zwischen der Türkei und Ägypten verschlechtern sich seit Jahren unter anderem, weil Ankara die Muslimbruderschaft unterstützt, während Kairo die Islamisten als Terroristen bekämpft. Im November schreckte eine Vereinbarung der türkischen Regierung mit der international anerkannten libyschen Regierung in Tripolis auch Ägypten auf, weil die Vertragspartner umstrittene Seegebiete unter sich aufteilten. In diesem Teil des Mittelmeers liegen große Erdgasfelder. Nach internationalem Seerecht hätten alle betroffenen Küstenstaaten an einer solchen Entscheidung beteiligt werden müssen. Im Januar entsandte die Türkei zudem Milizen nach Libyen, um gegen Rebellengeneral Chalifa Haftar zu kämpfen, den wiederum Ägypten unterstützt.

"Dieses Vorgehen der Türkei veränderte alles", sagte Fabiani. "Ägypten fühlt sich von den Türken zunehmend umzingelt und bedroht." Wenn türkische Milizen nun eine von Kairo definierte "rote Linie" zwischen den Städten Sirte und Dschufra im Zentrum Libyens überschreiten, werde Ägypten eingreifen. "Das könnte ein begrenzter Militäreinsatz zur Sicherung der eigenen Grenze sein. Es könnte aber auch eskalieren." Das Sirte-Becken ist die wichtigste Erdöl-Region des nordafrikanischen Landes.

Den deutschen Vorschlag einer Demilitarisierung der Städte Sirte und Dschufra hält Fabiani indes für kaum durchsetzbar. "Letztlich würde das eine Spaltung Libyens befördern, was niemand möchte." Realistischer wäre seinen Angaben nach eine limitierte Präsenz von Polizei oder militärischen Kräften der libyschen Konfliktparteien.

Nach dem Sturz des langjährigen Diktators Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 hatten in Libyen Milizen die Kontrolle übernommen und das Land mit zunehmenden Machtkämpfen ins Chaos gestürzt. Hauptakteure sind die von den UN anerkannte Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch und Rebellengeneral Haftar, deren Truppen und Milizen gegeneinander kämpfen. Deutschland bemüht sich seit Monaten darum, die Konfliktparteien und deren internationale Partner dazu zu bringen, das geltende Waffenembargo zu respektieren.