"Vieles läuft heute digital und online ab, aber das ist eben doch etwas völlig anderes, als sich persönlich zu sehen und sich zu treffen", sagte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, die ein Buch über Freundschaft geschrieben hat.
Die Corona-Krise, in der Menschen verstärkt über Internet, Telefon oder per Brief den Kontakt hielten, habe zu einer größeren Wertschätzung von Freundschaften geführt. "Uns ist neu die Sehnsucht bewusstgeworden, andere Menschen mal in den Arm zu nehmen und nicht isoliert zu leben", sagte die 62 Jahre alte Theologin. Viele Menschen hätten ihr geschrieben, dass sie eine große Einsamkeit gespürt hätten. "Dem kann jeder durch Beziehungspflege vorbeugen", so Käßmann.
Für viele sei es eine reine Illusion, in sozialen Netzwerken 500 Freunde zu haben, sagte Käßmann. "Eine Freundin ist jemand, die du nachts um ein Uhr anrufen kannst, weil es dir schlechtgeht und sie kommt vorbei."
Die frühere hannoversche Landesbischöfin sieht einen deutlichen Unterschied zwischen Frauen- und Männer-Freundschaften. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass Frauen sehr viel schneller über persönliche Themen redeten. "Ich denke, das hängt auch mit der Körperlichkeit von Frauen zusammen." Sie seien gemeinsam durch Menstruation, Schwangerschaft und Klimakterium körperlich betroffen und tauschten sich darüber aus. "Männer müssten in ihrer Freundschaft auch mal über Sexualität reden und das tun sie in der Regel nicht." Sie redeten eher über Sport oder den Beruf, hätten aber Mühe, über ihre Gefühle zu sprechen.