Braunschweig, Hamburg (epd). Nach dem Corona-Ausbruch im Tönnies-Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück haben Forscher die Übertragung der Krankheit im Mai rekonstruiert. Ausgehend von einem einzigen Mitarbeiter wurde das Virus auf mehrere Personen in einem Umkreis von mehr als acht Metern übertragen, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Studie ergab. Die Ergebnisse der Untersuchung wiesen darauf hin, dass die Bedingungen des Zerlegebetriebs eine entscheidende Rolle bei den auftretenden Ausbrüchen in Fleisch- oder Fischverarbeitungsbetrieben spielten, teilte das beteiligte Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) am Donnerstag in Braunschweig mit.
Die hauptsächliche Übertragung habe im Zerlegebereich für Rinderviertel stattgefunden, wo Luft umgewälzt und auf zehn Grad Celsius gekühlt werde, sagte der Braunschweiger Professor Adam Grundhoff. Zudem gebe es eine geringe Frischluftzufuhr, und es werde anstrengende körperliche Arbeit geleistet. "Unter diesen Bedingungen ist ein Abstand von 1,5 bis drei Metern alleine ganz offenbar nicht ausreichend, um eine Übertragung zu verhindern." Die Wohnsituation der Arbeiter spielte der Studie zufolge während der untersuchten Phase des Ausbruchs keine wesentliche Rolle.
Die Braunschweiger Virologie-Professorin Melanie Brinkmann sagte, die Studie beleuchte Sars-CoV-2-Infektionen in einem Arbeitsbereich, in dem verschiedene Faktoren aufeinandertreffen, die eine Übertragung über relativ weite Distanzen ermöglichten. "Es stellt sich nun die wichtige Frage, unter welchen Bedingungen Übertragungsereignisse über größere Entfernungen in anderen Lebensbereichen möglich sind."
Im Zusammenhang mit dem Corona-Ausbruch in Deutschlands größtem Fleischverarbeitungskomplex wurden mehr als 2.000 Menschen mit dem Virus infiziert. Die Studie wurde vom HZI, dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und dem Heinrich-Pette-Institut, Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie in Hamburg durchgeführt.