Berlin (epd). Der Paritätische Wohlfahrtsverband wirft der Bundesregierung vor, die Hartz-IV-Regelsätze weiterhin systematisch kleinzurechnen. Die Politik nutze die vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Spielräume ausschließlich zur Kürzung, kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ulrich Schneider, am Mittwoch in Berlin. Das Ergebnis seien realitätsferne Leistungen, sagte Schneider. Für den gesamten Hygienebedarf von Babys und Kleinkindern etwa hätten die Eltern 7,66 Euro im Monat zur Verfügung, Windeln inklusive.
Der Gesetzentwurf zur Neufestlegung der Regelsätze für Hartz-IV- und Grundsicherungsempfänger befindet sich gegenwärtig in der regierungsinternen Abstimmung, wie das Bundesarbeitsministerium dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigte. Im Zuge dessen werden auch die Sozialverbände um eine Stellungnahme gebeten. Die meisten kritisieren seit Jahren die Methodik der Berechnung, die mit nicht nachvollziehbaren Abschlägen zur Kostensenkung verbunden sei.
Schneider sagte: "Was wir bei der Berechnung der Regelsätze erleben, ist keine Statistik, sondern ihr Missbrauch." Wenn die Bundesregierung das von ihr selbst gewählte Statistikmodell konsequent und methodisch sauber anwenden würde, müsste der Regelsatz laut Schneider für das kommende Jahr nicht bei 439 Euro, sondern bei mehr als 600 Euro liegen. Die Leistungen für Kinder und Jugendliche, die noch einmal deutlich niedriger lägen, entbehrten jeder seriösen statistischen Grundlage, bilanzierte der Verbands-Chef. Insbesondere das Ziel, zumindest in bescheidenem Rahmen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, werde deutlich verfehlt.
Die Regelsätze für die Grundsicherung werden ungefähr alle fünf Jahre per Gesetz neu festgelegt. Dafür werden die Ausgaben der unteren Bevölkerungsschichten herangezogen und um diverse Posten gekürzt. In den Jahren dazwischen werden die Sätze fortgeschrieben, anhand der Preisentwicklung für die Waren, die im Regelsatz enthalten sind sowie der Nettolohnentwicklung. Anfang dieses Jahres führte das zu einer Erhöhung von 8 auf 432 Euro im Monat für einen alleinstehenden Erwachsenen. Berücksichtigt sind Ausgaben für den monatlichen Bedarf an Lebensmitteln, Kleidung, Hygiene, Mobilität, Kommunikation und die sogenannte soziale Teilhabe, also etwa eine Kinokarte.