EU-Gipfel mit ungewissem Ausgang
Kanzler Kurz: «Wo ein Wille, da ein Weg»
Der Sonntag wurde zum Werktag: Wegen anhaltender Differenzen ging der EU-Gipfel in die Verlängerung. Auch nach über zwei Tagen Verhandlungen war am Nachmittag offen, ob eine Einigung über das doppelte Finanzpaket gelingt.
19.07.2020
epd
Von Phillipp Saure (epd)

Brüssel (epd). Der EU-Gipfel zum wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Corona-Krise stand am späten Sonntagnachmittag weiter auf der Kippe. "Ein Kompromiss ist vorstellbar", sagte eine europäische Diplomatin in Brüssel, ein anderer Diplomat urteilte, es seien "entscheidende Stunden". Wichtige Streitpunkte waren der Umfang und die Zahlungsbedingungen von Corona-Hilfen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zu Beginn des dritten Gipfeltages geäußert: "Ob es zu einer Lösung kommt, kann ich nach wie vor nicht sagen."

"Es gibt viel guten Willen, aber es gibt auch viele Positionen", fügte Merkel hinzu. Ursprünglich waren die Verhandlungen nur für Freitag und Samstag anberaumt. Am Sonntagmittag trafen sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs erneut in großer Runde, später in kleineren Gruppen, für den späteren Nachmittag war wieder ein Plenum angekündigt. Auf Merkel lastete wegen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft besondere Verantwortung.

Der Gipfel sollte einen Durchbruch für den Wiederaufbaufonds zur Linderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise und für den EU-Haushalt der nächsten sieben Jahre (MFR) bringen. Die ursprünglichen Vorschläge, mit denen Ratspräsident Charles Michel in die Verhandlungen gegangen war, beliefen sich auf 750 Milliarden Euro für den Sonderfonds und 1,075 Billionen Euro für den MFR.

Offen war am Sonntag noch eine Reihe von Punkten. Zum einen ging es um die Höhe der Gelder, die die EU ausgeben soll, und hier vor allem um den Sonderfonds. Damit verbunden war nach Diplomatenangaben die Frage, wieviel Fondsgelder Mitgliedstaaten als Darlehen erhalten und wie viel als nicht rückzahlbare Zuschüsse. Auch die Höhe der Rabatte auf die Einzahlungen der EU-Länder in den Haushalt lag noch auf dem Tisch. Durch die Rabatte müssen einige Staaten - darunter Deutschland - weniger zum Haushalt beisteuern.

Weitere Knackpunkte waren die Bedingungen und Modalitäten für die Auszahlung von EU-Geldern. Hier ging es unter anderem darum, inwieweit diese an die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen gekoppelt würden. Dies wird vor dem Hintergrund fragwürdiger Entwicklungen in Ländern wie Polen und Ungarn diskutiert. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz nannte die Verhandlungen im Laufe des Sonntags intensiv. Zugleich zeigte er sich zuversichtlich: "Wo ein Wille, da auch ein Weg."