Rheda-Wiedenbrück (epd). Mehr als 2.700 Mitarbeiter der Fleischzerlegung bei Tönnies dürfen unter Sicherheitsmaßnahmen wieder ihre Arbeit aufnehmen. Damit kann das Unternehmen gut vier Wochen nach dem massenhaften Corona-Ausbruch die Fleischverarbeitung in einem Testbetrieb starten. Zugleich mehren sich die Forderungen aus Politik sowie von Bauern- und Tierschutzverbänden nach einer grundsätzlichen Umsteuerung in der Fleischproduktion. Die nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) plädierte dafür, stärker auf kleinere regionale Betriebe zu setzen.
Der Bereich "Zerlegung" im Tönnies-Betrieb, in dem die Corona-Gefahr wegen der Enge und niedrigen Temperaturen besonders hoch ist, durfte am Freitag wieder die Arbeit aufnehmen, wie der Bürgermeister der Stadt Rheda-Wiedenbrück, Theo Mettenborg (CDU), erklärte. Das erhöhte Infektionsrisiko in diesem Arbeitsbereich sei etwa durch Trennelemente aus Plexiglas und zusätzliche Luftfiltersysteme minimiert worden, erklärte die Stadt. Zudem dürften zunächst nicht mehr als 10.000 Tiere geschlachtet und verarbeitet werden. Alle Beschäftigten werden außerdem zweimal wöchentlich auf Corona getestet. In allen Betriebsgebäuden müssen die Beschäftigten einen Mund-Nasen-Schutz tragen, die Arbeitskräfte müssen untereinander den Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten.
NRW-Umweltministerin Heinen-Esser plädierte am Freitag in einer Sondersitzung des Agrarausschusses im Düsseldorfer Landtag für eine stärkere Regionalisierung bei der Schlachtung. Die Probleme wären leichter lösbar, wenn es statt des Riesenbetriebs Tönnies vier oder fünf verschiedene Schlachtbetriebe gegeben hätte, sagte sie. Nach Angaben des Ministeriums wird es in NRW in allen Schlachtbetrieben eine Dauerpräsenz des Arbeitsschutzes geben, der auf Abstandseinhaltung sowie auf Belüftungs- und Filteranlagen achten werde. Zudem würden in Schachtbetrieben mit mehr als 100 Beschäftigten zwei mal wöchentlich Corona-Tests durchgeführt.
Aufgrund der Corona-Bestimmungen sind die Schlachtmengen laut der Ministerin in NRW um 40 Prozent zurückgefahren worden. 35 Prozent betreffen alleine den Tönnies-Betrieb. Die Landesregierung schloss zudem Notschlachtungen von Schweinen und Ferkeln wegen Corona-bedingten Engpässen in der Fleischindustrie aus.
Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft forderte, stärker auf eine Regionalisierung der Fleischproduktion zu setzen. Unternehmen und der Lebensmitteleinzelhandel müssten das "System Billigfleisch" beenden, erklärte der Verband am Freitag in Hamm. Zudem müsse die Politik menschenwürdige Arbeits- und Lebensverhältnisse der Beschäftigten in der Schlachthofbranche durchsetzen: Es gebe weder ein Recht auf billiges Fleisch, noch auf die Ausbeutung osteuropäischer Arbeiter.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will nach Angaben eines Ministeriumssprechers seinen Gesetzentwurf zum Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie bis Ende Juli vorlegen. Der Minister habe außerdem betont, er könne sich vorstellen, dass das Gesetz auch früher in Kraft treten könne als zum Jahresbeginn 2021, wie es bisher geplant ist, hieß es.
Nach dem Corona-Ausbruch in dem Schlachtbetrieb der Firma Tönnies Mitte Juni waren rund 1.500 Beschäftigte positiv auf das Virus getestet worden. Nach mehrwöchiger Schließung hatte die Stadt Rheda-Wiedenbrück bereits am Mittwoch den schrittweisen Beginn der Schlachtung wieder erlaubt. Mehrere Tierschutz- und Umweltorganisationen hatten für Freitagnachmittag zu Protesten gegen die Wiederaufnahme des Schlachtbetriebs sowie gegen die Fleischindustrie aufgerufen.