Rheda-Wiedenbrück, Düsseldorf (epd). Mit einer Aktion auf dem Dach des Fleischunternehmens Tönnies in Rheda-Wiedenbrück haben Greenpeace-Aktivisten für einen grundlegenden Wandel in der Fleischindustrie demonstriert. Zwei Aktivisten landeten am Donnerstag mit motorisierten Gleitschirmen auf dem Dach des Hauptgebäudes und brachten ein Banner mit der Aufschrift "Schluss mit dem Schweinesystem" neben dem Firmenlogo an. Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kündigte zur Wiederaufnahme der Produktion bei Tönnies strenge behördliche Kontrollen an.
Mitte Juni waren mehr als 1.500 Beschäftigte des Tönnies-Betriebes positiv auf das Virus getestet worden. Daraufhin wurde die Produktion gestoppt. Die Landesregierung verfügte vorübergehend weitgehende Einschränkungen des öffentlichen Lebens für die Kreise Gütersloh und Warendorf, wo viele Mitarbeiter des Schlachtbetriebs wohnen. Nach einer Verfügung der Stadt Rheda-Wiedenbrück von Mittwoch darf der Schlachtbetrieb nun wieder schrittweise öffnen.
Am Donnerstagnachmittag war die Aktion auf dem Dach beendet, wie ein Greenpeace-Sprecher dem epd sagte. Danach seien einer der Gleitschirmflieger und zwei Unterstützer von der Polizei auf das Revier genommen worden, wo sie verhört werden sollten. Die Polizei hatte das Gebiet um das Gebäude abgesperrt, wie eine Polizeisprecherin dem epd sagte.
Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Laumann erklärte zur Wiederaufnahme der Produktion am Donnerstag im ZDF-"Morgenmagazin": "Tönnies wird völlig anders arbeiten als vorher." Laumann lehnte es ab, dem Unternehmen wegen staatlicher Quarantäne-Verfügungen einen Schadenersatz zu zahlen, und verwies darauf, dass die Schließung des Betriebes nicht allein aufgrund des Infektionsschutzgesetzes erfolgt sei, sondern ordnungsbehördlich verfügt worden sei. "Sie können ganz sicher sein, dass die Behörden in Nordrhein-Westfalen freiwillig keinen Cent an Herrn Tönnies bezahlen werden", sagte der CDU-Politiker.
Greenpeace forderte für den Schutz von Klima, Tieren und Gesundheit die Umstellung auf eine artgerechte Haltung und einen Abbau der Tierbestände. Nötig seien zudem regelmäßige und strenge staatliche Kontrollen in Ställen und Schlachtbetrieben sowie faire Preise und Arbeitsbedingungen, erklärte die Umweltorganisation. Die Politik sei zudem in der Pflicht, Konzentration von Marktmacht in Fleischindustrie und Handel zu beschränken. Die Expansion von Mega-Schlachthöfen müsse begrenzt und regionale Betriebe sollten gefördert werden. Supermärkte forderte die Umweltorganisation dazu auf, Fleisch aus schlechter Tierhaltung aus dem Sortiment zu nehmen.
Auch die Wiener Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler plädierte für einen Systemwechsel bei der Nahrungsmittelproduktion. "Wir spüren, dass es weder ein 'Weiter so', noch ein Zurück in die Zeiten vor Corona geben kann", sagte die Trendforscherin dem epd. Gerade in der gegenwärtigen Krise seien viele Menschen sensibler für die Probleme der Zeit. Entsprechend werde es immer schwerer, "Fehlentwicklungen wie die sklavenähnlichen Arbeitsverhältnisse in der Fleischindustrie weiterhin zu verdrängen".
Gegen die Wiederaufnahme des Schlachtbetriebes kündigten Klima- und Tierrechtsbündnisse für Freitag eine Mahnwache vor dem Tönnies-Werk an. Mit kreativen Aktionen solle auf die leidvolle und umweltvernichtende Tierindustrie aufmerksam gemacht werden, erklärte ein Bündnis, zu dem unter anderen die Organisationen Peta, "Fridays for Future", Animal Rebellion und Extinction Rebellion gehören.