Essen, Berlin (epd). Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, dringt auf mehr Engagement von Bund und Ländern im Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Er plädierte für einen ressortübergreifenden Masterplan der Bundesländer gegen sexuelle Gewalt. Das Saarland forderte die dauerhafte Aufnahme von Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im erweiterten Führungszeugnis.
Rörig sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag): "Der politische Wille, sexuelle Gewalt gegen Kinder zu bekämpfen, ist bisher viel zu schwach." Jedes Bundesland brauche einen ressortübergreifenden "Masterplan" gegen sexuelle Gewalt an Minderjährigen. An die Parteien appellierte Rörig in einem Brief, den Kampf gegen Missbrauch in ihren Wahlprogrammen zu einem Schwerpunktthema zu machen.
Der Beauftragte bekräftigte seine Überzeugung, dass die von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) geplante Verschärfung des Strafrechts nicht ausreiche, um Missbrauch zu verhindern. Wichtiger seien eine verbesserte Aufklärungs- und Präventionsarbeit, bessere polizeiliche Ermittlungsmöglichkeiten und eine enge Zusammenarbeit vor allem von Jugendämtern und Familiengerichten.
Der saarländische Justizstaatssekretär Roland Theis (CDU) sagte, bisher könne sich jemand, der etwa zu einem Jahr Haft verurteilt wurde, nach elf Jahren ohne Vermerk im erweiterten Führungszeugnis wieder in einer Kita bewerben. Das Saarland habe bereits im Februar gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern über den Bundesrat das Ende der Löschungsfristen eingebracht, erklärte Theis am Montag in Saarbrücken
Der bisherige Plan des Bundesjustizministeriums für ein Reformpaket sieht lediglich eine Verlängerung der Fristen vor. Wenn sich jemand im Alter von 18 Jahren eines solchen Delikts schuldig gemacht habe, müsse dies zum Schutz der Kinder auch noch aufgelistet sein, wenn der Täter bereits 88 Jahre alt sei, sagte Theis. Nach dem von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) Anfang Juli vorgelegten Reformpaket zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt soll Missbrauch demnach unter anderem als Verbrechen und nicht länger als Vergehen eingestuft werden. Theis warb dafür, den länderübergreifenden Vorschlag im laufenden Verfahren aufzugreifen.
In Nordrhein-Westfalen wurden unterdessen im Jahr 2019 deutlich mehr Verfahren zur Einschätzung von Kindeswohlgefährdung geführt als im Vorjahr. Die Jugendämter hätten in rund 49.700 Fällen eine solche Einschätzung vornehmen müssen, erklärte das statistische Landesamt am Montag in Düsseldorf. Die Zahl stieg um gut 14 Prozent. Im Jahr 2018 waren es rund 43.600 Verfahren.