Frankfurt a.M. (epd). Der Kampf gegen Aids darf nach Auffassung der Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm), Gisela Schneider, nicht unter den Corona-Maßnahmen leiden. Durch den Ausbruch von Covid-19 richte sich nun alle Aufmerksamkeit auf die neue Viruserkrankung und es sei schwer, auf andere Gruppen und Themen aufmerksam zu machen, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Ich habe die Sorge, dass wir vieles von dem, was in Bezug auf HIV erreicht haben, wieder verlieren könnten." Schneider äußerte sich zum Abschluss der Welt-Aids-Konferenz am Freitag, die wegen Corona erstmals virtuell stattfand.
Die indirekten Folgen von Covid-19 seien für die Behandlung und Bekämpfung von HIV und Aids gravierend, sagte Schneider. So habe Corona die weltweiten Lieferketten für antiretrovirale Mittel ins Wanken gebracht. Durch Lockdowns seien Patienten zudem schwerer an Medikamente gekommen. "Wo es da Unterbrechungen gibt, hat das langfristige Konsequenzen", erklärte Schneider. Antiretrovirale Mittel können Infizierte bisher zwar nicht heilen, aber bei regelmäßiger Einnahme die Verbreitung des HI-Virus im Körper eindämmen und teilweise eine Übertragung verhindern.
Corona wirke wie ein Brennglas, das die Schwachstellen im Gesundheitssystem offenlege, sagte Schneider. Die Difäm-Direktorin forderte deshalb, die tiefer liegenden Probleme anzugehen.
Dass die Weltgemeinschaft ihre Ziele bei der Aids-Bekämpfung verfehlt hat, liegt nach ihren Worten an ungleichen Fortschritten beim Zugang zu Diagnose und Medikamenten. Ziel für 2020 war, 90 Prozent der HIV-Infizierten Tests zu ermöglichen und sie mit lebensverlängernden Medikamenten zu versorgen. Laut dem UN-Programm Unaids haben aber 2019 rund 12,6 Millionen Infizierte keine Aids-Mittel erhalten. Insgesamt leben 38 Millionen Männer, Frauen und Kinder mit dem HI-Virus. Rund 690.000 Menschen starben an den Folgen von Aids, 1,7 Millionen Menschen infizierten sich im vergangenen Jahr neu.
Die 90-Prozent-Ziele seien sehr hoch gesteckt gewesen, räumte Schneider ein. Das Versäumnis dürfe deshalb nicht demotivierend wirken, sagte sie. "Dass heute 25 Millionen Menschen Zugang zu Therapie haben, ist ein großer Erfolg."
Die Corona-Krise bietet laut Schneider aber auch die Chance, Gesundheitssysteme vor allem in armen Ländern zu stärken und eine größere weltweite Solidarität zu entwickeln. "Ich wünsche mir für HIV und alle anderen Gesundheitsprobleme, dass wir an einer nachhaltigen Verbesserung arbeiten." Von Prävention und besseren Zugängen zu Gesundheitssystemen würden Patienten mit allen Krankheiten profitieren, sagte Schneider.