Berlin, Düsseldorf (epd). Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert eine bedarfsorientierte Kindergrundsicherung. Die Unterstützung für bedürftige Familien sei bislang ein unübersichtlicher Flickenteppich an Einzelleistungen, die nicht aufeinander abgestimmt seinen, kritisierte der Gewerkschaftsbund am Mittwoch in Berlin. Die neue Leistung, die unter anderem Kindergeld, Steuerfreibeträge, und Hartz-IV-Leistungen für Kinder ersetzen soll, soll deutlich über dem heutigen Kindergeld liegen. Sozialverbände sowie SPD und Grüne begrüßten den Vorschlag.
Die Grundsicherung setzt sich dem Konzept zufolge aus einem Sockelbetrag von 240 Euro je Kind und einem Zusatzbetrag zusammen, der nach dem Einkommen der Eltern und dem Alter der Kinder gestaffelt ist. Die Höchstbeträge liegen dem Papier zufolge für Kinder unter sechs Jahren bei 364 Euro monatlich, für Sechs- bis 13-Jährige bei 476 Euro und für Jugendliche von 14 bis 18 Jahren bei 504 Euro. Auch Volljährige in der Erstausbildung oder arbeitslos Gemeldete sollen bis zum 25. Lebensjahr den Sockelbetrag erhalten.
Profitieren würden nach dem DGB-Konzept besonders 40 Prozent der einkommensschwachen Haushalte mit Kindern. Auch bei mittleren Einkommen gebe es einen spürbaren Zuwachs, heißt es. Mehr als 200.000 Haushalte könnten so komplett den Hartz-IV-Bezug überwinden. In diesen Haushalten lebten 710.000 Kinder.
Die Mehrkosten für die Kindergrundsicherung würden sich gegenüber der jetzigen Regelung auf 12,5 Milliarden Euro jährlich belaufen, sagte DGB-Vorständin Anja Piel den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Mittwoch), die zuerst über das Konzept berichtet hatten. Bislang liegen die Kosten für den Familienleistungsausgleich dem Bericht zufolge bei gut 45 Milliarden Euro. "In unserem reichen Land lebt jedes fünfte Kind in Armut, und daran hat sich seit Jahren im Wesentlichen nichts geändert", sagte Piel. Im vergangenen Jahr hatten sich auch die Bundestagsfraktionen der Grünen, der SPD und der Linken für eine Kindergrundsicherung starkgemacht.
Die Bundestagsfraktion von SPD und Grüne begrüßten das DGB-Konzept und verwiesen auf eigene Initiativen. Mit dem "Starke-Familien-Gesetz" und dem "Gute-Kita-Gesetz" seien bereits erste wichtige Schritte unternommen worden, erklärte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast. Mit dem Konzept einer sozialdemokratischen Kindergrundsicherung werde dieser Weg konsequent weitergegangen. Die Grünen forderten die Bundesregierung auf, den Flickenteppich an unterschiedlichen familienpolitischen Leistungen in eine Kindergrundsicherung zu überführen. Statt Kinderarmut nur zu verwalten, brauche es eine Gesamtstrategie, die allen Kindern ein Aufwachsen ohne Armut ermögliche.
Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, erklärte, Kinderarmut lasse sich nicht alleine mit Pädagogik beseitigen. "Es bedarf einer angemessenen materiellen Versorgung", sagte er den Funke-Zeitungen.
Auch die Arbeiterwohlfahrt wertet das DGB-Papier als einen weiteren guten Vorschlag zu dem Thema. Die Politik solle sich nun eingehend mit den verschiedenen Reformperspektiven auseinandersetzen und die Grundsicherung rasch auf den Weg bringen.
Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe unterstrich, dass die bisherigen Hilfen gebündelt werden müssten: Statt mehr als 150 einzelner Leistungen im Sozial- und Steuerrecht für Familien mit Kindern solle es ab Geburt eines Kindes eine einheitliche Leistung geben, erklärte die Leiterin des Geschäftsfeldes Berufliche und Soziale Integration, Heike Moerland, in Düsseldorf.
Der familienpolitische Verband Zukunftsforum Familie verwies auf besondere Belastungen von Familien während der Corona-Pandemie. Familien trügen die Hauptlast der Pandemie und hielten dadurch die Gesellschaft zusammen, erklärte die Vorsitzende Christiane Reckmann. Das DGB-Konzept schlage einen richtigen Weg ein.