Kabinett beschließt Gleichstellungsstrategie für gesamte Regierung
Künftig will die Bundesregierung bei allen Gesetzen und Förderprogrammen die Gleichstellung von Frauen und Männern im Blick haben. Was so selbstverständlich klingt, ist es im Alltag oft nicht - aber jetzt gibt es eine Strategie, um besser zu werden.
08.07.2020
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Von Bettina Markmeyer (epd)

Berlin (epd). Das Bundeskabinett hat am Mittwoch in Berlin eine nationale Gleichstellungsstrategie beschlossen. Frauen- und Familienministerin Franziska Giffey (SPD), deren Ministerium die Strategie formuliert hat, las anschließend aus dem Grundgesetz vor und ging ins Grundsätzliche. Seit mehr als 25 Jahren stehe im Artikel 3, dass der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert, sagte die SPD-Politikerin. Jetzt gebe es dazu zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik gemeinsame Ziele der gesamten Bundesregierung. Giffey sprach von einem "Meilenstein, der Maßstäbe für das Regierungshandeln setzt". Das Vorhaben war im Koalitionsvertrag vereinbart worden.

Neu sei, dass Gleichstellung nicht mehr allein Thema ihres Ministeriums sei, sondern jedes Ministerium dafür sorgen solle, erklärte Giffey. Auf mögliche Sanktionen angesprochen, sagte sie, die gebe es nicht - aber man habe jetzt eine Selbstverpflichtung aller Ressorts, an der sie sich öffentlich messen lassen müssten. Es habe Jahrzehnte gedauert bis zu einem solchen Bekenntnis einer ganzen Regierung: Gleichstellung sei keine Last, sondern eine Chance, sagte Giffey. Gerade noch habe eine McKinsey-Studie ergeben, dass gemischte Führungsteams erfolgreicher seien.

Die Beispiele, die Giffey präsentierte, sind allesamt Gesetze und Vorhaben, die bereits in Arbeit sind. So fördert das Wirtschaftministerium Gründerinnen, das Bildungsministerium Professorinnen, das Familienministerium Kommunalpolitikerinnen, und das Justizministerium lässt erforschen, welche Algorithmen Frauen benachteiligen. Selbst das Verkehrsministerium leistet mit schnellem Internet auf dem Land einen Beitrag, weil Frauen und Männer damit Arbeit und Familie unter Umständen besser vereinbaren können als ohne.

Bei allen Gesetzen und Förderprogrammen will die Regierung künftig die Gleichstellung von Frauen und Männern berücksichtigen. Zu den neun Zielen, die sie damit erreichen will, zählen Entgeltgleichheit, die Aufwertung der klassischen Frauenberufe in der Pflege und Kinderbetreuung, die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen in der Wirtschaft, in den Parlamenten, in Kultur und Wissenschaft und im öffentlichen Dienst. Giffey zufolge soll für Führungspositionen dasselbe gelten wie für Hausarbeit, Kindererziehung und die Pflege der Alten - sie sollten gleichberechtigt zwischen Männern und Frauen aufgeteilt sein.

Giffey kritisierte, Frauen verdienten im Durchschnitt immer noch 20 Prozent weniger als Männer. Das führe zu einer Rentenlücke von 50 Prozent. Diese Lücken zu schließen, könne nur gelingen, wenn auch das Arbeits- und Wirtschaftministerium daran arbeiten, sagte sie.

Ein Beispiel dafür, dass es im Regierungsalltag trotz Strategie nicht einfach ist, kam dann auch noch zur Sprache: Giffey versucht derzeit zusammen mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), das Gesetz für mehr Frauen in Führungspositionen zu verschärfen. Ein Entwurf ist fertig, aber die unionsgeführten Ministerien sind nicht einverstanden mit Sanktionen für Unternehmen, die sich gar keine Ziele setzen wollen, um mehr Frauen in Leitungsaufgaben zu holen. Sie wehren sich auch gegen Giffeys Plan, rund 100 börsennotierten Unternehmen wenigstens eine Frau vorzuschreiben, wenn sie mehr als drei Vorstandsposten zu vergeben haben. Giffey gab sich unverdrossen: Man werde weiterreden. Sie hoffe auf eine Einigung bis zum Herbst, sagte sie. Sie werde dranbleiben.