Münster, Gütersloh (epd). Das Oberverwaltungsgericht Münster hat die besonderen Corona-Einschränkungen im Kreis Gütersloh außer Kraft gesetzt. Die Coronaregionalverordnung sei nach der Prüfung im Eilverfahren voraussichtlich rechtswidrig, erklärte das Gericht am Montag in Münster (AZ: 13 B 940/20.NE). Nach aktuellem Erkenntnisstand sei es nicht mehr mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vereinbaren, dass sich die Einschränkungen des öffentlichen Lebens auf das gesamte Gebiet des Kreises Gütersloh erstrecken, erläuterte das Gericht.
Der Gütersloher Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU) begrüßte die Entscheidung, unterstrich jedoch zugleich, dass für den Tönnies-Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück, der für den massenhaften Corona-Ausbruch in der Region verantwortlich ist, die Einschränkungen weiterhin gelten. Die SPD-Opposition im Düsseldorfer Landtag forderte als Konsequenz aus der Gerichtsentscheidung Richtlinien, wie der Pandemie-Schutz in solchen Fällen sichergestellt werden könne.
Bei der Verlängerung der Maßnahmen für den Kreis Gütersloh vor knapp einer Woche wären nach Einschätzung des Gerichts differenzierte Regelungen anstelle des Lockdowns für den gesamten Kreis geboten gewesen. Die Verteilung der bestätigten Neuinfektionen variiere innerhalb der Städte und Gemeinden erheblich. Daher weiche die dortige Gefährdungslage nicht mehr signifikant von der Situation in anderen Städten und Gemeinden außerhalb des Kreisgebietes ab. Die kurzfristig strengeren Schutzmaßnahmen direkt nach Bekanntwerden des Corona-Ausbruchs in dem Tönnies-Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück waren hingegen nach Einschätzung des Gerichts vertretbar.
Adenauer äußerte sich nach dem Beschluss erfreut: "Wir haben jetzt wieder ein Stück mehr Freiheit", erklärte der Gütersloher Landrat. Der Lockdown sei eine Belastung gewesen, "jetzt ist endlich die Stigmatisierung vorbei". Der Gerichtsbeschluss zeige, dass die getroffenen Maßnahmen zum Erfolg geführt hätten.
Die Entscheidung habe jedoch keine Auswirkungen auf den Tönnies-Schlachthof. Der Kreis sei mit dem Unternehmen in konstruktiven Gesprächen. "Einen Neustart gibt es erst, wenn alles sicher ist, die Firma Tönnies muss die neuen Konzepte nach den Vorgaben der Behörden umsetzen", unterstrich Adenauer. Der Landrat warnte davor, zu denken, das Corona-Virus sei verschwunden. Es gebe im Kreis 44 neue Fälle, von denen 42 direkt in Verbindung mit dem Tönnies-Betrieb stehen.
Der SPD-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, Thomas Kutschaty, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Der Fall hat von Anfang an die Frage aufgeworfen, ob es wirklich sinnvoll ist, solche Maßnahmen gleich in einem ganzen Kreisgebiet in Kraft zu setzen, wenn man weiß, das Teile des Kreises überhaupt nicht betroffen sind." Eine Neujustierung der aktuellen Regelung sei nun nötig, es könne sie aber nur geben, "wenn wir endlich zu einer konsistenten Teststrategie kommen". Kutschaty warf der schwarz-gelben Landesregierung vor, sie habe im Kreis Gütersloh nicht vorausschauend agiert. Nun müsse sie "vom Reaktionsmodus in den Präventionsmodus schalten".
Das Gericht gab dem Eilantrag einer GmbH Recht, die in Schloß Holte-Stukenbrock und Versmold Spielhallen betreibt. Nach dem Corona-Ausbruch mit mehr als 1.500 Infizierten in dem Schlachtbetrieb hatte das Land Nordrhein-Westfalen eine erste Coronaregionalverordnung erlassen. Demzufolge galten für eine Woche weitreichende Kontaktbeschränkungen sowie Einschränkungen im Kultur- und Freizeitbereich für die Kreise Gütersloh und Warendorf.
Die Corona-Maßnahmen im Kreis Warendorf waren nach dem 30. Juni ausgelaufen. Für den Kreis Gütersloh verlängerte das Land Nordrhein-Westfalen die Regelungen mit einer Verordnung um eine weitere Woche bis zum 7. Juli. Am Dienstag muss daher nun entschieden werden, ob der Lockdown ausläuft oder eine weitere Woche verlängert wird.