"Danke, mir geht es eigentlich ganz gut", sagt Anni Schamberger - und schmunzelt. "Ich kann mich noch selbst versorgen und waschen und brauche noch niemanden beim Anziehen", betont Schwester Anni stolz - und lächelt. Und wenn sie ins Erzählen kommt, zieht sie die Besucher in ihren Bann, auch wenn oder gerade weil die Anekdoten schon Jahrzehnte zurückliegen: etwa, wie sie im Zweiten Weltkrieg die Bombenangriffe auf das Mutterhaus mit etwa 200 Schwestern erlebte. "Wie verschüchterte Hühner hockten wir im Speisesaal und die Oberin hat eine Andacht gehalten", erzählt sie. Oder wie sie mit anderen Schwestern nach dem Zweiten Weltkrieg aus Jux und Tollerei amerikanische Soldaten erschreckt hatte - hinter einem Zaun vom diako.
Oder wie sie als Kind immer mit ihrem Vater, einem Bahnhofsvorsteher, zum sonntäglichen Spätgottesdienst ging, während die Geschwister mit ihrer Mutter den Frühgottesdienst besuchten. Erzählen, Lachen und Erinnern gehören für Anni Schamberger noch immer zum täglichen Leben, genauso wie der Gang zum Gottesdienst. Dass ihre Arbeit manchmal sehr anstrengend war und sie einmal sogar ein Vierteljahr lang am Stück Nachtwache gemacht hat, zählt genauso zu ihrem Leben wie Tischkartensprüche, die sie immer noch auswendig erzählen kann, oder das gemeinsame Bergwandern mit anderen Schwestern.
Schwester Anni wurde 1917 im oberfränkischen Rödental-Oeslau geboren und war das zweitjüngste von insgesamt sechs Kindern. Und sie hat als Einzige die Geschwister, vier Schwestern und einen Bruder, überlebt, "und es wäre so schön, wenn noch jemand von ihnen da wäre", sagt sie. Mit einer ihrer Schwestern war sie besonders eng verbunden. Sie erinnert sich, wie sie sich abends im Bett gegenseitig Gedichte von Eduard Mörike oder Adelbert von Chamisso oder Dialektgedichte aufsagten.
Eigentlich wollte sie beruflich "etwas mit Kindern machen", erinnert sich die Diakonisse. Doch dafür war sie mit 14 Jahren im Jahr 1931 noch zu jung, also lernte sie zunächst den Beruf der Weißnäherin und macht die Gesellenprüfung. Anschließend ging sie mit einer Schulkameradin als Haustochter zu Diakonissen in die Gemeinde St. Sebald in Nürnberg. Von dort wechselte sie direkt ins Augsburger Mutterhaus, wo sie mit 21 Jahren eingesegnet wurde - nach der Ausbildung im sogenannten "Lehrzimmer" und zur Krankenschwester.
Diakonissen verzichten bewusst auf vieles: auf Familie, Karrierewünsche und auf eigenes Einkommen. Reich waren Schwester Annis bald 103 Jahre aber an Erfahrungen in einem von ihr geliebten Beruf und geborgen in einer schützenden Gemeinschaft. "Eine Familie zu haben kam für mich nie infrage", erzählt Anni Schamberger, und auch die Eltern fanden es damals gut, dass sie diesen Weg einschlagen wollte, "und ich habe das auch nie bereut", erzählt die zierliche alte Dame. Oft wurde sie an andere Dienstorte versetzt und arbeitete etwa in Marktredwitz, im Krankenhaus Feuchtwangen, in Passau, Erlangen und in Augsburg, wo sie sonntags meistens in die St.-Anna-Kirche zum Gottesdienst ging, wo ja auch die Schwestern zu Beginn ihrer Tätigkeit eingesegnet werden.
Seit 33 Jahren ist sie nun schon im Ruhestand beziehungsweise im sogenannten "Feierabend", wie die Zeit nach der beruflichen Arbeit bei den Diakonissen heißt. Einen Rollator hat sie inzwischen als Gehhilfe immer dabei, den sie mit schnellem Schritt vor sich herschiebt. "Das war eine schöne Zeit", sagt Schwester Anni, "und ich bin Gott dankbar dafür, dass er mich diesen langen Weg geführt hat", betont die Diakonisse.
Wie man ein so hohes Alter und vor allem in einem solchen gesunden Zustand erreichen kann, dafür weiß Schwester Anni auch keinen Tipp. "Das kommt einfach so, wie Gott es will", betont sie dann. Und wie sie am 30. Juni ihren Geburtstag feiern wird, weiß sie auch noch nicht so recht. "Ich denke, es wird bestimmt ein Neffe von mir kommen", hofft Schwester Anni. "Ansonsten werde ich selbst nichts organisieren und lass' mich einfach feiern", sagt sie und lacht.