Osnabrück (epd). Die Präventionsexpertin Anna Pallas hat angesichts des Missbrauchsfalls von Münster eine intensivere gesellschaftliche Debatte und mehr Aufklärung über den sexuellen Missbrauch an Kindern gefordert. "Die meisten Menschen haben keine Ahnung von sexueller Gewalt", sagte die Chefin der Theaterpädagogischen Werkstatt in Osnabrück dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir sollten uns nicht nur entrüsten, sondern uns über sexuelle Gewalt informieren, damit wir unsere Augen aufhalten können." Jeder Bundesbürger könne sich anonym in Verdachtsfällen an die Beratungsstellen wenden.
Die Werkstatt mit Sitz in Osnabrück schickt bundesweit speziell ausgebildete Schauspielpaare mit interaktiven Theaterstücken zum sexuellen Missbrauch in Kitas und Schulen. Sie klären die Kinder und Jugendlichen über die Facetten sexualisierter Gewalt auf und ermutigen sie, ihren Gefühlen zu vertrauen und sich im Ernstfall Hilfe zu holen.
Die meisten Menschen hielten es für unvorstellbar, dass solche Taten in der eigenen Nachbarschaft geschähen, sagte Pallas. Sie seien nicht aufmerksam genug. "Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir darüber wesentlich mehr sprechen." Pallas forderte Missbrauchsbeauftragte für jedes Bundesland und jede Kommune, die solche Diskussionen in Gang bringen könnten.
Missbrauchsbeauftragte könnten auch die Mitarbeiter der Jugendämter entlasten, betonte die Theaterpädagogin. Deren Aufgabe sollte es nicht sein, "wie Missbrauchsfahnder oder Spürhunde in die Familien" zu gehen. "Die haben eigentlich einen ganz anderen Auftrag. Die sollen Familien in Not unterstützen."
Mit den Theaterstücken wie "Mein Körper gehört mir", "Die große Neintonne" und "Ein Tritt ins Glück" seien sie bereits seit mehr als 20 Jahren erfolgreich. Das zeigten auch die zahlreiche Mails von Eltern, Lehrern und Kindern sowie positive Reaktionen von Polizisten.
Das wichtigste Ziel der Programme ist Pallas zufolge die Aufklärung. "Auch Kinder haben das Recht zu wissen, was sexuelle Gewalt ist. Denn Wissen macht stark." Die Schauspieler ermutigten sie zudem, ihrem eigenen Gefühl, vor allem ihrem Nein-Gefühl zu vertrauen. "Dein Gefühl ist echt. Dein Gefühl hat immer recht." So sollten sie bestärkt werden, sich einer unangenehmen Situation zu entziehen und sich Hilfe zu holen: "Das wiederholen wir mantraartig in all unseren Programmen: 'Wenn es dir nicht gutgeht, such dir eine Person und erzähl ihr, was dich belastet'."