Erkundigt man sich dieser Tage in Erfurt nach dem Weg zur Rosenkirche, sind erstaunte Blicke die einzige Antwort. "Wo soll diese Kirche denn stehen", kommt die Frage direkt zurück. Gibt es sie überhaupt' Es gibt sie - und ein bisschen auch nicht. Zur Rosenkirche wird der üppig blühende kleine Garten im Augustinerkloster erst am Wochenende.
Dann hat sich Landesbischof Friedrich Kramer zur Weihe inmitten der historischen Mauern angekündigt, die einst dem Mönch und späteren Reformator Martin Luther (1483-1546) Schutz boten. Er predige, so viel verriet die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) schon einmal vorab, zu einem erotischen Thema. Denn die Rosenkirche soll eine Kirche der Liebe sein.
Mit der Liebe haben die Thüringer Protestanten durchaus einige Erfahrungen. Bereits sieben Mal wurde im nahe der Landeshauptstadt gelegenen Wandersleben der Menantes-Preis für erotische Literatur vergeben. Maßgeblich beteiligt daran sind die Kirchengemeinde und ganz besonders Pfarrer Bernd Kramer. Für ihn ist das Hohelied Salomo, in dem sich Braut und Bräutigam in der Hochzeitswoche ihr gegenseitiges Begehren erklären, mit seiner wunderschönen Sprache das erotischste Buch der Bibel.
Eine Einschätzung, die sein Erfurter Kollege Bernd Prigge, teilt. Er hatte die Idee zur Rosenkirche. Der kleine Garten am Rand des Augustinerklosters wurde dazu in den vergangenen Monaten umgestaltet. Noch vor wenigen Jahren sei der inzwischen reich blühende Ort ein Parkplatz gewesen, erklärt der Pfarrer. In einem ersten Schritt wurden bereits Rosen gepflanzt sowie eine Ölweide und ein Olivenbaum in die Erde gesetzt. Auch das Kreuz, gefertigt aus den gebrauchten Balken eines Nachbarhauses, wurde damals aufgestellt, blickt Prigge zurück.
Zur wortwörtlichen Rosenkirche machen das Gärtchen indes erst die Anpflanzungen des vorigen Herbstes. Zu den vielen Exemplaren der Königin der Blumen kamen aus einer Baumschule Apfelbäumchen, die - akkurat als flache Quadrate beschnitten - das luftig-grüne Dach bilden. Dazu wurde ein Metallbogen aufgestellt, an dem die Rosen klettern können. Steighilfen finden sie auch an den umliegenden Gemäuern.
Der Gärtner versteckte noch ein paar Tulpenzwiebeln und pflanzte großzügig Lavendel. Der Klatschmohn hat sich dagegen selbst eingeladen. Seine knallroten Blüten schauen vorwitzig aus den Rosenstöcken hervor. Noch ein wenig Kies und ein paar Gartenstühle, schon ist das kleine Paradies komplett.
Außergewöhnlicher Ort für alle
Natürlich sollen hier Gottesdienste stattfinden, meint Pfarrer Prigge. Doch der Garten des Herrn soll allen offen stehen, egal was sie glauben oder wer sie sind. Trauungen, Hochzeitsjubiläen, Feste und Fotoshootings - der Pfarrer sieht viele Möglichkeiten. Ein wenig christlicher Bezug, das ist seine einzige Einschränkung, müsse aber schon sein. Eine offene Kirche für offene Menschen - ganz im Sinne von Kirchenvater Augustinus: "Liebe und tu, was du willst", zitiert ihn der Pfarrer.
Dieses Credo zeigt sich auch zur Kirchweihe am Sonntag. Der Gottesdienst unter freiem Himmel verdient das Prädikat ungewöhnlich. Er wird von Bossa-Nova- und Gospel-Musik begleitet, und statt eines Schlüssels erhält der Hausherr, Kloster-Kurator Carsten Fromm, eine Gießkanne.
Mehr Kitsch
In der Kirche selbst werden Kärtchen mit Segenswünschen verteilt. Dazu sollen alle in Hildegard Knefs "Für mich soll's rote Rosen regnen" einstimmen, wenn tatsächlich vielfarbige Blütenblätter zu Boden segeln. Zu kitschig? Manchmal, so der Augustiner-Pfarrer, könnte die Kirche durchaus etwas mehr Kitsch vertragen. Der kraftvollen Stimme seines Bischofs kann er gewiss sein. Bereits im Herbst, beim symbolischen ersten Spatenstich, hob Friedrich Kramer mit "Maria durch den Dornwald ging" zu einem Ständchen für die florale Kirche an.
Schlanke 17.000 Euro hat das Projekt bisher gekostet. Ein Vergleich mit anderen Buga-Vorhaben, für die mit Millionenaufwand ganze Parks umgegraben und sogar Flüsse verlegt wurden, ergibt ein faktisch unschlagbares Verhältnis von Aufwand und Blütenpracht.