Darum, obwohl ich in Christus alle Freiheit habe, dir zu gebieten, was zu tun ist, will ich um der Liebe willen eher bitten, so wie ich bin: Paulus, ein alter Mann, nun aber auch ein Gefangener Christi Jesu. So bitte ich dich wegen meines Kindes Onesimus, den ich gezeugt habe in der Gefangenschaft, der dir früher unnütz war, jetzt aber dir und mir sehr nützlich ist. Den sende ich dir wieder zurück und damit mein eigenes Herz. Ich wollte ihn gern bei mir behalten, damit er mir an deiner statt diene in der Gefangenschaft um des Evangeliums willen. Aber ohne deinen Willen wollte ich nichts tun, damit das Gute dir nicht abgenötigt wäre, sondern freiwillig geschehe. Denn vielleicht war er darum eine Zeit lang von dir getrennt, damit du ihn auf ewig wiederhast, nicht mehr als einen Sklaven, sondern als einen, der mehr ist als ein Sklave: ein lieber Bruder.
Philemon 8–16 (Hier vorgelesen von Helge Heynold)
Liebe Sehnsüchtige,
wie viel Freiheit gönnen Sie sich in diesen Tagen? Wie viel Begegnung ist Ihnen möglich? Wenn Sie ganz ehrlich zu sich selbst sind: Wie leichtsinnig sind Sie bereits geworden? In Europa wähnen wir uns am Ende der Corona-Krise, obwohl wir natürlich wissen, dass die Gefahr nicht vorüber ist. In vielen Ländern ist das Virus weiterhin verheerend, und auch bei uns flammen immer wieder Infektionsherde auf. Dennoch sind wir es leid, uns Vorschriften machen zu lassen. Unsere Freiheit ist arg beschränkt. Auf Dauer können uns gesetzliche Bestimmungen unsere freiheitlichen Grundrechte nicht dermaßen einschränken. Das wissen auch alle, die sich in der Politik engagieren. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir von gesetzlichen Regelungen zur Selbstverantwortung voranschreiten müssen.
In der Bibel gibt es ein ganz kleines Büchlein, einen Brief des Paulus, der eine solche Situation beschreibt. Paulus, der Apostel Jesu Christi, hat schon immer eifrig versucht, das Richtige in Gottes Sinn zu tun. Als frommer Jude befolgte er, was die Thora ihm vorgab. Nach seiner Taufe wird die Beziehung zu Jesus Christus zu seiner Richtschnur. Das aber bringt ihn in Konflikt mit den Gesetzen des Römischen Reiches. Der Brief an Philemon, aus dem die Verse in dieser Woche stammen, schreibt Paulus aus dem Gefängnis heraus. Wie die Anklage lautete, erfahren wir nicht. Offensichtlich kennt Philemon seine Situation. Ich habe Helge Heynold gebeten, den ganzen Brief für Sie vorzulesen, denn er ist nicht lang, und er ist ein wirklich interessantes Dokument, weil Paulus hier einmal nicht an viele Menschen einer Gemeinde schreibt, sondern an eine Person direkt.
Philemon ist ebenfalls ein Christ, und Paulus schickt ihm seinen Sklaven Onesimus aus dem Gefängnis zurück. Der Text verrät nicht, wie Onesimus zu Paulus kam, ob Philemon ihn schickt, damit er Paulus in der Gefangenschaft dient? Oder war Onesimus selbst ein Gefangener? Was wir erfahren, ist dies: Paulus hat Onesimus getauft und schickt ihn nun zurück zu seinem Besitzer zusammen mit einer Bitte des Paulus: Nimm ihn auf als Bruder, nicht als Sklaven! Paulus trägt seine Bitte ausgesprochen dringlich vor. Er nennt Onesimus sein „Kind, das er in der Gefangenschaft gezeugt“ habe. Er nennt ihn sein „Herz“.
Es ist die Art, in der Paulus sein Anliegen an Philemon formuliert, die mich an unsere gemeinsame Situation denken lässt. Paulus schreibt: „Ich hätte die Freiheit, dir zu gebieten, was zu tun ist, aber ich will dich um der Liebe willen bitten.“ Paulus befiehlt nicht, er appelliert. Das tut er durchaus eindringlich, aber er weiß, dass es nicht viel helfen wird, wenn er Philemon schlicht schreibt: „Als Christ sollst du keine Sklaven haben, also behandle Onesimus ab sofort als Bruder.“ Philemon muss selbst der Überzeugung sein, dass er das Richtige tut, wenn er seinen Sklaven freilässt. „Ohne deinen Willen wollte ich nichts tun“, schreibt Paulus.
Wenn wir uns nicht mehr vorschreiben lassen wollen, wie wir uns in der Krise richtig zu verhalten haben, müssen wir es selbst wollen. Wir müssen „um der Liebe willen“ tun, was wir nicht um des Gesetzes willen tun wollen. Das ist noch etwas anderes, als an den „gesunden Menschenverstand“ zu appellieren. Etwas aus Liebe zu tun, bedeutet, andere zum Maßstab zu machen. Wer liebt, will das Wohlergehen derer, die man liebt. Wer liebt, kann fröhlich auf etwas verzichten, damit es dem geliebten Gegenüber gut geht.
In diesen liebenden Zustand müssen wir uns begeben, je weniger uns Gesetze und Bestimmungen zu Corona anleiten. Tun wir das Richtige nur, weil wir es müssen, so werden wir immer unter der Last ächzen, die uns auferlegt ist. Wenn wir aber spüren, dass wir aus Liebe das Richtige tun, wird uns das freimachen, selbst, wenn wir uns beschränken müssen.
Darum lautet meine Wochenaufgabe für Sie so: Üben Sie lieben! Und weil dies die 18. Fastenmail ist, und man mit 18 volljährig wird, gebe ich diesmal dazu keine genaue Anweisung. Nur meine dringende Bitte: Tun Sie es! Wenn Sie möchten, schreiben Sie Ihre Erfahrungen auf. Das hilft bei vielen Übungen, auch hier.
Ich grüße Sie mit dem Schluss des Philemonbriefes: Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geist!
Ihr Frank Muchlinsky