Berlin (epd). Angesichts der Corona-Krise hat sich der Buchautor und Psychiater Jan Kalbitzer für eine neue soziale Plattform ausgesprochen. "Es ist unabdingbar, dass wir neue Instrumente entwickeln, mit deren Hilfe wir gemeinsam neu aushandeln, wie wir in Zukunft leben wollen", sagte der Leiter der Stressmedizin der Oberbergkliniken im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Samstag in Berlin. Sein kürzlich erschienenes Buch "Krise als Neustart" liefert eine Anleitung dafür, wie es Menschen gelingen kann, nach Umbrüchen neue Gewohnheiten zu bilden.
"Die Corona-Zeit hat unsere alten Gewohnheiten massiv unterbrochen", erläuterte Kalbitzer. Der öffentliche Raum habe sich grundsätzlich verändert: Menschen hielten sich wegen verschiedener Ängste mehr zurück und gingen auch weniger unbefangen miteinander um. Gleichzeitig tauschten sie sich in den sozialen Medien intensiver aus. Die aktuellen Plattformen seien dabei aber nicht gut genug dafür geeignet, kritisierte der Experte. Bürgerinnen und Bürger müssten akzeptieren, dass der analoge und der digitale Teil ihres Lebens zukünftig nicht mehr getrennt verlaufen könnte, sondern dass diese sich immer mehr überlagerten.
Während der Corona-Krise habe es bereits einige "Neustarts" gegeben, erläuterte Kalbitzer. Durch den Lockdown seien die Kohlenstoffdioxid-Emissionen zurückgegangen. Daraus habe die Gesellschaft erkennen können, dass bestimmte Veränderungen möglich seien. "Diesen Wandel müssen wir aktiv mitgestalten, wenn wir nicht wollen, dass wir irgendwann vor eine neue Ordnung gestellt werden, die wir nicht mehr beeinflussen können."
Mit Blick auf eine neue Plattform sei es wichtig, dass auf dieser "digitalen Agora" alle Mitglieder der Gesellschaft zu Wort kämen, forderte der Experte. Denn die Corona-Krise habe die bestehende soziale Kluft bereits weiter verschärft: Die Corona-Warn-App funktioniere zum Beispiel nicht auf älteren Smartphone-Modellen. "Menschen müssen also wohlhabend genug sein, um sich - aber eben auch die anderen - schützen zu können."