Corona-Ausbruch in Schlachtbetrieb: Kritik an Hygienekonzept

Gütersloh (epd). Nach der Corona-Masseninfektion in einem Schlachtbetrieb im ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück wächst die Kritik an dem Unternehmen. Bei 657 Mitarbeitern war bis zum frühen Abend nach Angaben des Kreises Gütersloh eine Infektion mit dem Coronavirus festgestellt worden. Insgesamt waren 1.050 Beschäftigte des Fleischbetriebs Tönnies getestet worden.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte, er vermute einen zu laschen Umgang mit Hygiene-Regeln in dem Betrieb als Grund für den Corona-Ausbruch. "Das Hygiene-Konzept muss komplett versagt haben", sagte Lauterbach den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag). Die hohe Zahl an Neuinfizierten in der Belegschaft lasse sich eigentlich nur damit erklären, dass viele Mitarbeiter auf das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken verzichtet hätten.

Auch der Unions-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus (CDU) hält nach eigenen Worten ein unzureichendes Hygienekonzept für die Ursache der Ausbreitung des Coronavirus. "Ich erwarte von den Eigentümern und dem Management der Tönnies-Gruppe, dass sie dafür die Verantwortung übernehmen", sagte Brinkhaus dem Bielefelder "Westfalen-Blatt" (Donnerstag). Ein "Weiter so" dürfe es nicht geben. "Der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung sowie der Beschäftigten muss absolute Priorität insbesondere vor wirtschaftlichen Interessen haben", betonte der CDU-Bundestagsabgeordnete, in dessen Wahlkreis der Tönnies-Konzern seinen Sitz hat.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) forderte ein umgehendes Verbot von Werkverträgen. Der aktuelle massive Ausbruch von Infektionen hänge ganz offensichtlich mit dem Geschäftsmodell von Werkverträgen mit seinem Subunternehmersystem und den katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen für die zumeist osteuropäischen Werkvertragsbeschäftigten zusammen, sagte der stellvertretende NGG-Bundesvorsitzende Freddy Adjan den Funke-Zeitungen (Donnerstag). Der Pandemiebeauftragte der Firma Tönnies, Gereon Schulze-Althoff, sagte, zu dem Ausbruch sei es möglicherweise durch die nun wieder möglichen Heimreisen von Arbeitern in ihre Heimat gekommen.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte das "ganze System Billigfleisch", das für die Ausbeutung von Arbeitskräften, für Tierleid, Klimagase und Waldzerstörung zum Anbau von Futtermitteln verantwortlich sei. Notwendig sei ein konsequenter Umbau der Fleischproduktion, sagte Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin Stephanie Töwe den Funke-Zeitungen (Donnerstag).

Wegen der massenhaften Corona-Infektionen wird der Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück heruntergefahren. Auch Schulen und Kitas im Kreis Gütersloh werden bis zu den Sommerferien geschlossen, einen allgemeinen Lockdown soll es aber nicht geben.