Genf, Khartum (epd). Nach dem Fund eines Massengrabs im Umland der sudanesischen Hauptstadt Khartum hat die Staatsanwaltschaft des nordostafrikanischen Landes Ermittlungen aufgenommen. Bei den Dutzenden Leichen handele es sich vermutlich um eine Gruppe zwangsrekrutierter junger Männer, die 1998 aus einem Ausbildungslager geflohen seien, sagte ein Sprecher der exilsudanesischen Nachrichtenwebseite Radio Dabanga, die in den Niederlanden sitzt.
Unter dem Regime des damaligen Präsidenten Omar al-Baschir waren junge Männer nach dem Schulabschluss zum Dienst an der Waffe gezwungen worden, um im Bürgerkrieg im mittlerweile unabhängigen Südsudan zu kämpfen. Die Männer hatten das Camp offenbar aus Angst vor ihrer Entsendung ins Kampfgebiet verlassen. Dass die Verantwortlichen für das Massaker gefasst werden können, scheint unwahrscheinlich. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärte nach dem Verhör mehrerer Zeugen, die Verdächtigen seien im Ausland auf der Flucht.
Die Ermittlungen stehen im Zusammenhang mit dem Streit innerhalb der sudanesischen Übergangsregierung über die Auslieferung Al-Baschirs an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Die in der Regierung vertretenen Militärs, die Al-Baschir 30 Jahre lang gestützt hatten, lehnen die Überstellung des früheren Präsidenten aus sudanesischer Haft ab. Aktuelle Ermittlungen im Sudan könnten als Begründung dafür herangezogen werden, die Auslieferung weiter zu verzögern. Al-Baschir war im April 2019 nach monatelangen Bürgerprotesten von Militärs gestürzt worden.
Die Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof, Fatou Bensouda, hatte erst vor einer Woche erneut seine Auslieferung gefordert. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord in der Region Darfur zwischen 2003 und 2008 zur Last gelegt. Im Darfur-Konflikt wurden Schätzungen zufolge 300.000 Menschen getötet. Die 2009 und 2010 erlassenen Haftbefehle gegen Al-Baschir wurden nie vollstreckt.