Köln (epd). Die Fach- und Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch, Zartbitter, begrüßt die Absicht der Bundesregierung, die Verbreitung von kinderpornografischem Material in Zukunft strafrechtlich schärfer zu ahnden. Die Geschäftsführerin der Beratungsstelle in Köln, Ursula Enders, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), sie sei "absolut erleichtert", dass diese Form der sexuellen Gewalt nicht länger nur als Vergehen, sondern als Verbrechen bewertet werden soll. "Diese Reform wird eine starke präventive Wirkung entfalten", zeigte sich Enders überzeugt.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte am Donnerstag ihre bisherige ablehnende Position gegen eine Strafrechtsverschärfung aufgegeben und erklärt, auch Fälle, die nicht mit körperlicher sexueller Gewalt und Misshandlungen einhergehen, müssten als Verbrechen eingestuft werden. Sie gab damit auch dem Druck von Unionspolitikern nach.
Enders glaubt, dass mit der Strafverschärfung insbesondere die Verbreitung kinderpornografischen Materials unter Schülern eingedämmt werden kann. Sie wies darauf hin, dass sexueller Missbrauch zu mehr als einem Drittel von Menschen unter 18 Jahren begangen werde. Häufig würden Minderjährige von Mitschülern aufgefordert, sich auszuziehen und sexuelle Handlungen an sich zu begehen. Anschließend würden Aufnahmen an den Schulen verbreitet. Wer sich weigere mitzumachen, werde gemobbt.
Dieses Verhalten und die damit verbundene "tiefe Verletzung der Opfer" müsse als Verbrechen einstuft werden, sagte Enders. Zudem müsse in einer jugendgerechten Aufklärungskampagne deutlich gemacht werden, dass derartige Taten keine Bagatelle seien. Mit einer Strafrechtsverschärfung würden auch Schulen sehr viel härter durchgreifen, als dies heute der Fall sei. Staatsanwälte könnten von den jugendlichen Straftätern leichter als heute die Teilnahme an Gruppentherapien verlangen. "Das Ausmaß sexualisierter Gewalt durch Kinderpornografie ginge rapide zurück", erwartet die Expertin.
Auch erwachsene Täter würden bei einer Strafrechtsverschärfung deutliche Konsequenzen spüren, sagte Enders. Wenn Kinderpornos nicht länger verharmlost werden, würden etwa Frauen, die auf dem PC ihres Partners entsprechendes Bildmaterial fänden, anders reagieren als derzeit.
Enders forderte, das Angebot niedrigschwelliger Fach- und Beratungsstellen in Deutschland deutlich auszubauen. Menschen, die auch nur die Vermutung missbräuchlichen Verhaltens hätten, bräuchten eine ortsnahe Anlaufstelle. An sie könnten sich besorgte Eltern wenden, die den Weg zur Polizei oder zum Jugendamt scheuen, sagte Enders.