Hamburg, Münster (epd). Im Zusammenhang mit dem Missbrauchsfall in Münster hat NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) den Umgang der Behörden mit dem 27-jährigen Hauptbeschuldigten kritisiert. "Wenn man sich das Ergebnis anschaut, da kann man doch nicht sagen: Da ist alles richtig gelaufen", sagte Reul dem Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Der 27-Jährige hatte zwei Vorstrafen wegen Besitzes und Verbreitung von Kinderpornografie, dennoch konnte er offenbar über Jahre mit seiner Partnerin und deren mittlerweile zehn Jahre altem Sohn zusammenleben. Das Kind wurde mutmaßlich von dem Mann missbraucht und auch anderen Männern zum Missbrauch überlassen.
Im Oktober 2015 hatte sich das Familiengericht Münster laut "Spiegel" in einem Kindesschutzverfahren mit der Situation des Jungen befasst. "Es bestand Einvernehmen, dass das Verfahren ohne Eingriffe in das Sorgerecht beendet werden kann", sagte ein Gerichtssprecher dem Nachrichtenmagazin. Dabei sei der Junge selbst aber nicht angehört worden.
Nachdem zum zweiten Mal gegen den Hauptbeschuldigten eine Anklageschrift wegen der Verbreitung und des Besitzes von Kinderpornografie vorlag und später auch eine Verurteilung erfolgte, berief der Sozialdienst des Jugendamtes ein Fachgremium zur Beratung des Falls ein. Diese Clearingstelle habe wie der Sozialdienst und das Familiengericht die Situation so eingeschätzt, erklärte die Stadt, "dass die Mutter ihr Kind ausreichend schützt". Der Tatverdächtige habe sich in Gesprächen mit dem Jugendamt einsichtig gezeigt.
Der Stadtdirektor von Münster, Thomas Paal, erklärte gegenüber dem "Spiegel": "Mit dem Wissen von heute hätte man vielleicht anders entschieden, aber dieses Wissen lag damals nicht vor." Bis zuletzt habe es "keine Hinweise" auf eine Gefährdung des Kindes gegeben.
Der 27-jährige Hauptverdächtige arbeitete nach Polizeiangaben in einem landwirtschaftlichen Betrieb im Kreis Coesfeld und war dort für die Computertechnik zuständig. In seinem Keller in Münster fand die Polizei einen professionell betriebenen Serverraum. Nach ersten Erkenntnisse hätten die Datenträger mit kinderpornografischen Aufnahmen mehr als 500 Terabyte Datenvolumen. Die Datenträger seien hochprofessionell verschlüsselt worden.