Berlin (epd). Parallel zum Ende deutscher Grenzkontrollen zu anderen europäischen Staaten will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auch wieder Flüchtlinge aus anderen EU-Staaten in Deutschland aufnehmen. Nach der Kabinettssitzung am Mittwoch in Berlin teilte Seehofer mit, dass weitere Kinder aus den Lagern auf den griechischen Inseln nach Deutschland geholt werden sollen. Konkret kündigte er die Aufnahme von 243 behandlungsbedürftigen Kindern und ihrer Familienangehörigen an.
Sie gehören Seehofer zufolge nicht zur Gruppe unbegleiteter Minderjähriger, sollen aber wegen Erkrankungen Hilfe erhalten und dabei nicht ohne ihre Familie in ein anderes Land gebracht werden. Ein Ministeriumssprecher sagte dem epd, viele der Kinder seien unter sechs Jahren alt. Teilweise hätten sie Krankheiten, die dringend im Krankenhaus behandelt werden müssten. Da bei allen dann zumindest Elternteile oder Geschwister mitkommen, dürfte die Zahl tatsächlich aufgenommener Flüchtlinge mindestens doppelt so hoch liegen.
Deutschland hatte zugesagt, besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aus den Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen. Mitte April war ein erster Flug mit 47 Kindern und Jugendlichen angekommen. Sechs weitere Kinder, die damals wegen Erkrankungen nicht mitfliegen konnten, sollen zusätzlich zu den 243 anderen Kindern auch nachgeholt werden, sagte Seehofer.
Darüber hinaus hat Seehofer nach eigenen Worten Italien und Malta angeboten, jeweils 80 aus Seenot gerettete Migranten zu übernehmen. Die Aufnahmen werden jeweils "Ende Juni, Juli" erfolgen, sagte der Innenminister, ohne konkrete Daten zu nennen.
Seehofer betonte am Mittwoch auch erneut seinen Wunsch nach mehr Solidarität unter den EU-Ländern. Während sich bei der Aufnahme aus Griechenland rund ein Dutzend anderer Staaten beteilige, sei es bei der Aufnahme der aus Seenot Geretteten "allenfalls ein halbes Dutzend".
Während der Corona-Pandemie war die Seenotrettung privater Organisationen im Mittelmeer zum Erliegen gekommen. Inzwischen sind wieder Helfer unterwegs. Sorge bereitet den Organisationen eine Änderung der Schiffssicherheitsverordnung durch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CDU), der nach Angaben einiger Organisationen die Anforderung so erhöht, dass ihre Boote praktisch nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Das Verkehrsministerium verteidigte die Änderung am Mittwoch erneut und begründete sie mit Sicherheitserwägungen. Ein Sprecher räumte gleichzeitig ein, dass es keine gefährlichen Situationen gegeben habe, die auf bestehende Mängel der Verordnung hingewiesen hätten.
Seenotrettung im Mittelmeer wird derzeit allein von privaten Helfern geleistet, eine staatliche gibt es nicht mehr. Die Internationale Organisation für Migration forderte die EU zur sofortigen Wideraufnahme der Seenotrettung im Mittelmeer auf. Viele Bootsflüchtlinge befänden sich in einer aussichtslosen Lage und ihre Leben müssten gerettet werden, sagte IOM-Sprecherin Safa Msehli dem epd in Genf. Seit Beginn des Jahres seien im zentralen Mittelmeer mindestens 157 Menschen auf hoher See gestorben. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen.
epd co/her fu