Halle (epd). Mehrere Verstöße in der JVA Halle haben nach Auskunft von Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) den Fluchtversuch des Attentäters von Halle begünstigt. Der Gefangene hätte laut Erlass des Ministeriums bei seinem Aufenthalt im Freien ständig durch drei Bedienstete beaufsichtigt werden müssen, sagte Keding am Dienstag in Magdeburg. Weil sich der Untersuchungsgefangene unauffällig und angepasst verhalten habe, seien die Sicherheitsvorschriften von der Anstalt eigenmächtig gelockert worden. Er habe dann bei seinem Freigang auch keine Handfessel mehr tragen müssen. Zwei Bedienstete sollten ihn bewachen.
Fünf Minuten lang konnte sich Stephan B. jedoch am Pfingstsamstag völlig unbeaufsichtigt frei in der Anstalt bewegen. Er überwand einen 3,40 Meter hohen Zaun, versuchte einen Kanaldeckel anzuheben und lief in ein Gebäude, dessen Türen offen standen. Laut Keding werden nun disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen Personal in der JVA Halle geprüft.
Keding bedauerte, dass es zu dem Fluchtversuch kommen konnte. "Dadurch wurden wieder Angst und Schrecken bei den Hallensern, insbesondere bei den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde wachgerufen. Das tut mir sehr leid und dafür möchte ich auch um Entschuldigung bitten." Zugleich betonte sie, dass nie die reale Möglichkeit eines Ausbruchs aus der JVA bestanden habe.
Stephan B., der wegen des antisemitischen Anschlags vom 9. Oktober 2019 in Halle des zweifachen Mordes und des versuchten Mordes an 68 Menschen beschuldigt wird, wurde nach seinem Fluchtversuch von Halle in die JVA Burg verlegt.