Tutzing (epd). Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier hat vor einer "Moralisierung" der Politik gewarnt. Der Staat habe die Aufgabe, Recht durchzusetzen und nicht Moralvorstellungen, sagte Papier in einer Talkreihe der Evangelischen Akademie Tutzing zur Corona-Krise, wie die Akademie am Montag mitteilte. Was die pluralistische Gesellschaft zusammenhalte, könne nur geltendes Recht sein, "keine gemeinsame Religion und auch keine gemeinsame Kultur". Papier äußerte in dem Gespräch, das auch im Youtube-Kanal der Akademie verfügbar ist, den Wunsch nach mehr Rechtsbewusstsein "auf allen Seiten".
In der Demokratie habe die Meinungsfreiheit "die größte Bedeutung", betonte der ehemalige Bundesverfassungsgerichtspräsident fest. Sie schütze auch Meinungen, die absurd erschienen. Der Staat sei kein "Meinungsrichter", sagte Papier mit Blick auf Demonstrationen von Leugnern des Coronavirus, Impfgegnern oder Vertretern unterschiedlichster Verschwörungstheorien. Mit Blick auf die zur Eindämmung der Corona-Pandemie verhängten Beschränkungen der Freiheitsrechte sprach sich Papier für eine "rechtsstaatliche Aufarbeitung" aus.