Essen, Berlin (epd). Wegen der Corona-Pandemie stauen sich nach Angaben des Deutschen Richterbundes die Verfahren an den Gerichten. Es dürfte noch bis zum Jahresende dauern, "ehe alle verschobenen Termine parallel zu den laufenden Eingängen abgearbeitet sind", sagte Richterbund-Geschäftsführer Sven Rebehn den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). Es gebe längst nicht überall in ausreichender Zahl Gerichtssäle, die groß genug für die geltenden Abstandsregeln seien. Zudem seien viele Anwälte jetzt stark ausgelastet, so dass eine zügige Terminierung von Verfahren erschwert werde.
Während des Corona-Notbetriebs bis Ende April hätten die Gerichte die allermeisten Verhandlungen wegen der hohen Infektionsrisiken abgesagt, berichtete Rebehn. Bearbeitet worden seien lediglich wichtige Strafprozesse, dringende Haftsachen sowie Eilverfahren. Der Anteil der abgesagten Verfahren für diese Phase beträgt laut Richterbund bis zu 90 Prozent. Im Mai seien die Verhandlungstermine in vielen Gerichten dann wieder auf die Hälfte des Üblichen oder mehr gestiegen.
Zusätzlich zu der Aufarbeitung alter Fälle müssen die Gerichte laut Rebehn zahlreiche Streitfragen aus Anlass der Corona-Krise bearbeiten. Verfassungs- und Verwaltungsgerichte haben zu beurteilen, ob Corona-Beschränkungen verhältnismäßig sind. Auf die Arbeitsgerichte kommen demnach Kündigungsschutz- und Zahlungsprozesse zu, auf die Zivilgerichte zusätzliche Klagen wegen der wirtschaftlichen Folgen von Corona-Auflagen. Bei den Amtsgerichten zeichnet sich eine größere Zahl von Klagen ab, mit denen Passagiere nach abgesagten Flügen ihre Ticketpreise zurückfordern. Die Strafjustiz muss Betrugsverdachtsfällen bei Corona-Soforthilfen nachgehen.