Magdeburg (epd). Die Leitung der Justizvollzugsanstalt "Roter Ochse" in Halle hat von dem Fluchtversuch des mutmaßlichen Attentäters Stephan B. nach eigenen Angaben erst drei Tage später erfahren. Bei einer Befragung gaben der JVA-Leiter und seine Stellvertreterin an, nicht aktiv über den schweren Zwischenfall informiert worden zu sein, wie das Justizministerium am Donnerstag in Magdeburg mitteilte. Sie hätten erst am Dienstagmorgen aus einem Protokoll von dem Vorfall erfahren und dann das Justizministerium informiert.
Stephan B. hatte sich am Samstag minutenlang unbeobachtet auf dem Gelände der JVA bewegen können. Er soll in einem Innenhof über einen 3,40 Meter hohen Zaun geklettert sein. Dabei soll er auch versucht haben, einen Gullydeckel zu heben. Die Beamten konnten ihn dann den Angaben zufolge wieder widerstandslos in Gewahrsam nehmen. Es gebe immer noch offene Fragen hinsichtlich der genauen Abläufe und warum der Vorgang nicht weitergemeldet wurde, erklärte das Ministerium.
Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) kündigte für die Sondersitzung des Rechtsausschusses am Donnerstag einen umfassenden Bericht an. Derzeit werden im Ministerium unter anderem die Videoaufzeichnungen der Anstalt ausgewertet. Stephan B. wurde unterdessen von Halle in die JVA Burg verlegt.
Stephan B. wird wegen des antisemitischen Anschlags vom 9. Oktober 2019 in Halle unter anderem des zweifachen Mordes beschuldigt. Er war schwer bewaffnet zur Synagoge in der Humboldtstraße in Halle gefahren, wo sich am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur 52 Gläubige aufhielten. Sein Plan, möglichst viele Juden in der Synagoge zu töten, scheiterte an der geschlossenen Tür der Synagoge. Er erschoss eine 40 Jahre alte Passantin und in einem nahe gelegenen Döner-Imbiss einen 20 Jahre alten Mann. Voraussichtlich ab 21. Juli wird sich Stephan B. vor Gericht für seine Tat verantworten müssen.