Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete das Konjunkturpaket als "sozial gerecht". Sehen Sie das auch so?
Ulrich Lilie: Es ist sozial ausgewogen und ein wichtiger Schritt. Vor allem zeigt es, dass die deutsche Politik und Gesellschaft auch in der Krise handlungsfähig und zu kraftvollen Antworten fähig ist. Das ist auch ein Signal gegen dümmliche Populisten, die keine Alternativen haben. Natürlich haben wir an manchen Punkten noch Fragen und Verbesserungsvorschläge. Vor allem muss es darum gehen, dass die Maßnahmen noch zielgenauer werden. Denn die Unterstützung muss da ankommen, wo sie am meisten gebraucht wird - bei Familien ohne eigenes oder mit geringen Einkommen und Alleinerziehenden.
Der Beschluss, den steuerlichen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende von derzeit 1.908 Euro auf 4.000 Euro anzuheben, greift zum Beispiel zu kurz. Denn wer kein oder nur ein sehr geringes Einkommen hat, profitiert davon nicht. Hier gibt es bessere Instrumente - beispielsweise mehr direkte finanzielle Hilfen gerade für Alleinerziehende - zumal Steuergerechtigkeit für Alleinerziehende auch mit dieser Erhöhung des Entlastungsbetrags noch nicht erreicht ist.
Kommt der Familienbonus dort an, wo er gebraucht wird?
Lilie: Der Kinderbonus im Konjunkturpaket ist für Familien ein besonders wichtiges und längst überfälliges sozial- und familienpolitisches Signal. Aber auch hier wäre ein stärkerer Fokus auf die Familien mit den geringsten Einkommen wünschenswert. Denn wer es ohnehin schwer hat im Leben, darf durch die Corona-Krise nicht noch weiter benachteiligt werden. Die Diakonie Deutschland hatte deshalb vorgeschlagen, die Auszahlung auf Familien zu fokussieren, die Leistungen nach dem Wohngeldgesetz, den Kinderzuschlag oder Grundsicherungsleistungen erhalten. Dies wäre auch konjunkturpolitisch sinnvoller, weil einkommensschwache Haushalte das Geld ausgeben und nicht auf die hohe Kante legen.
Das Paket sieht Unterstützung für gemeinnützige Träger bei der Umrüstung ihrer Flotten auf Elektroantriebe vor. Wird die Diakonie das nutzen?
Lilie: Wir freuen uns darüber, dass mit dem Programm "Sozial & Mobil" auch an die spezifischen Bedarfe der gemeinnützigen Träger sozialer Dienste gedacht worden ist. Die Diakonie Deutschland selber hat keine eigenen Dienstwagen. Ich gehe auf jeden Fall davon aus, dass das Programm bei entsprechender Attraktivität und Ladeinfrastruktur von unseren Mitgliedern gut nachgefragt wird. Vorreiter aus dem ganzen Bundesgebiet - sei es die Diakonie Nordhausen, die Diakonie Gelsenkirchen, die Diakonie Donau-Ries oder die Diakonie in Niedersachsen - haben schließlich schon sehr positive Erfahrungen mit der Umstellung auf E-Mobilität gemacht.