Pfeiffer: Rassistische Gewaltexzesse in deutscher Polizei undenkbar
04.06.2020
epd
epd-Gespräch: Martina Schwager

Hannover (epd). Der Kriminologe Christian Pfeiffer sieht in der häufig von Gewalt geprägten Kindererziehung in den USA einen der Hauptgründe für rassistische Gewaltexzesse amerikanischer Polizisten wie im Fall George Floyd. Eltern dürften in den USA ihre Kinder auch heute noch schlagen, sagte Pfeiffer dem Evangelischen Pressedienst (epd). In 19 US-Staaten sei die Prügelstrafe durch Lehrer noch erlaubt. Daraus entstünden Rassismus und die Begeisterung für die Todesstrafe und für Waffen. "Die Waffenbegeisterung der Amerikaner ist auch herbeigeprügelt."

Vor allem Evangelikale, die das politische Klima in den Südstaaten prägten, züchtigten ihre Kinder massiv. Wer in ständiger Angst und Ohnmacht aufwachse, giere später danach, mächtig zu sein. "Waffen verleihen ihm das Gefühl von Macht", betonte der ehemalige Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, der 2015 in den USA geforscht und gelehrt hat: "Und wer sich nicht geliebt fühlt, der entwickelt kein Urvertrauen. Er gerät vor jeder potenziellen Bedrohung in eine innere Habacht-Stellung." Hinzu komme, dass viele Polizisten in den USA Kriegsveteranen seien: "Sie brauchen Feindbilder, um ihre Kriegermentalität ausleben zu können. Das ist Gift für jede gute Polizei."

In Deutschland hingegen sei ein solches Ausmaß von Gewalt und Rassismus bei der Polizei wie in den USA undenkbar. In der Bundesrepublik habe sich die Erziehung in den vergangenen 50 Jahren "in Richtung von mehr Liebe und weniger Hiebe gewandelt", sagte Pfeiffer. "Das hat bei den jungen Menschen Rassismus und Rechtsextremismus reduziert." Zudem sei in Deutschland der Frauenanteil in der Polizei in den vergangenen 20 Jahren auf rund 50 Prozent gestiegen. Polizistinnen seien kommunikativer, in bestimmten Konfliktsituationen souveräner und trügen zur Deeskalation bei: "Die schrittweise Feminisierung der Polizei hat dazu beigetragen, dass die Polizei insgesamt besser darauf vorbereitet ist, im Konfliktfall klug zu kommunizieren."

Allerdings könnten auch deutsche Polizisten Vorurteile entwickeln, betonte der Kriminologe. So würden etwa häufiger Taten von Ausländern angezeigt, was zu einer verzerrten Wahrnehmung führen könne. Die deutsche Polizei sei sich dessen aber zunehmend bewusst. Eine Schwachstelle sieht Pfeiffer jedoch bei Anzeigen von Bürgern gegen Polizeibeamte. In Deutschland ermittelten in einem solchen Fall Kollegen gegen Kollegen. In England existiere eine Sondereinheit, die nicht der regulären Polizei angehöre. In Deutschland würden Polizeibeamte relativ selten wegen aggressiver Übergriffe verurteilt. "Das allein beweist noch nichts", sagte er. "Aber es würde in der Gesellschaft gut ankommen, wenn die Innenministerkonferenz unter Einbeziehung ausländischer Erfahrungen nach Lösungen schaut."