Die Bezahlung ist für Anja Aslan erst mal zweitrangig. Viel wichtiger ist der Würzburgerin, dass sie sich wieder gut fühlt, seit sie im Sozialkaufhaus "Brauchbar" arbeitet. Aslan ist eine von derzeit 65 Ex-Arbeitslosen, die bei "Brauchbar" tätig sind. Dass hier so viele geförderte Jobs entstehen konnten, ist nicht zuletzt der "Aktion 1+1 - mit Arbeitslosen teilen" der Evangelischen Landeskirche in Bayern zu verdanken. Unter dem Motto "gerade jetzt!" sammelt diese aktuell Spenden für die von der Krise gebeutelten Beschäftigungsfirmen.
Anja Aslan war erst 22 Jahre alt, als ihre Tochter schwer erkrankt auf die Welt kam. Die heute 38-Jährige schaffte es nicht, eine Lehre abzuschließen. Eine eigene Erkrankung und das Leiden der Tochter, permanente Geldprobleme sowie ein extrem prekäres Wohnverhältnis belasten Anja Aslan bis heute stark und beeinträchtigen ihre Leistungsfähigkeit. Auf dem ersten Arbeitsmarkt hätte sie keine Chancen, räumt die Alleinerziehende ein.
Evangelische Landeskirche Bayern verdoppelt jede private Spende
Seit 1998 hat bei "Brauchbar" jeder Beschäftigte ein Aufgabenfeld, das seinen Fähigkeiten entspricht. Anja Aslan arbeitet als Verkäuferin in der Schuhabteilung. Andere ehemals Arbeitslose sortieren Waren. Durch die Corona-Krise war damit Ende März vorübergehend Schluss: Auch "Brauchbar" musste 32 Tage lang schließen. Das hat das Sozialunternehmen gebeutelt, erzählt Geschäftsführer Thomas Johannes.
Da sich "Brauchbar" zu 85 Prozent aus dem Gebrauchtwarenhandel finanziert, wurde die Situation "hochkritisch". "Als gemeinnützige GmbH erwirtschaften wir ja kaum Gewinne", so Johannes. Rücklagen, um die Corona-Verluste aufzufangen, gibt es nicht. Aber: Was die "Brauchbar"-Mitarbeiter seit der Wiedereröffnung zum Verkauf anbieten, stößt auf erfreulich hohe Nachfrage. Dennoch kann das Minus aus den Schließtagen nicht kompensiert werden. Auch Spenden und staatliche Unterstützungen helfen nur wenig: Noch immer klafft eine Lücke von 100.000 Euro.
Die 1994 gegründete "Aktion 1+1" ist eine Initiative, bei der jede private Spende durch die Evangelische Landeskirche Bayern verdoppelt wird. So können im Jahr durchschnittlich rund eine Million Euro ausgeschüttet werden. Insgesamt kommen pro Jahr fast 70 bayerische Betriebe und Kirchengemeinden in den Genuss von "1+1"-Geldern. Mit öffentlichen Hilfeleistungen ist Johannes im Vergleich dazu nicht immer zufrieden. Vor allem das neue Sozialdienstleister-Einsatzgesetz sei "nicht zielführend".
"Viele haben gerade große Liquiditätsprobleme"
Johannes steht mit seinem Unmut nicht alleine. "Viele Sozialbetriebe sind enttäuscht, weil das Gesetz sehr kompliziert ist", sagt Dorothea Kroll-Günzel, Referentin für die "Aktion 1+1" beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (kda). Dass sie von "1+1" finanziell unterstützt werden, ist für Beschäftigungsbetriebe aufgrund der Krise wichtiger denn je, bestätigt sie. "Viele haben gerade große Liquiditätsprobleme." Gleichzeitig steigt die Bedeutung geförderter Jobs. Die Referentin denkt, dass zum "festgebackenen Sockel" an Langzeitarbeitslosen von rund 20 Prozent aller Erwerbslosen in Kürze Menschen kommen, deren Betriebe schließen mussten oder die nun nach der Probezeit nicht übernommen werden.
Wer in seiner Leistung gemindert ist, hat meist nicht die Spur einer Chance, einen festen, fair bezahlten Job auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bekommen, unterstreicht Pfarrer Kuno Hauck von der evangelischen Gemeinde Sankt Martin in Fürth. Diese Erfahrung machte zum Beispiel Alexander Hanke, der 2016 über "1+1" in Haucks Gemeinde angestellt wurde.
Hanke erkrankte in seiner Jugend schwer. Dies führte dazu, dass er bis heute geistig eingeschränkt ist. "Den normalen Belastungen eines Berufslebens ist er nicht gewachsen", erklärt Hauck. Hanke schlug sich mit Hilfsarbeiterjobs durch, die er aber immer wieder verlor. Insgesamt zehn Jahre war er ohne Stelle.
Massive Umsatzausfälle
Die Bedeutung geförderter Jobs liegt vor allen Dingen darin, dass sie helfen, den Tag zu strukturieren, sagt Björn Bracher vom Diakonischen Werk Altdorf-Hersbruck-Neumarkt. Die Neumarkter Diakonie hat in ihrem Sozialzentrum "Leb-mit-Laden" zehn Jobs für Langzeitarbeitslose geschaffen. Einer der Beschäftigten entwickelte sich durch die Arbeit im "Leb-mit-Laden" in den letzten Jahren so positiv, dass er über den "Sozialen Arbeitsmarkt" sozialversicherungspflichtig angestellt werden konnte.
Krisenbedingt fehlen nun aber auch hier Einnahmen. Hinzu kommt, so Bracher, dass das Jobcenter Neumarkt keine Kostenpauschale mehr für spezielle Arbeitsgelegenheiten, zum Beispiel im Suchtbereich, zahlen kann. Umso wichtiger ist nun auch für die Neumarkter Diakonie die "Aktion 1+1".
Wie stark eine Sozialfirma von der Krise betroffen ist, hängt von der Größe und dem Arbeitsfeld ab. Von einer "stark angespannten Liquiditätssituation" spricht etwa Andreas Müßig, Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH "Wertstoffzentrum Veitsbronn" in Mittelfranken, wo 170 geförderte Jobs geschaffen wurden. Alle fünf Gebrauchtwarenhöfe der evangelischen Gesellschaft sowie der Wertstoffhof in Heilsbronn mussten krisenbedingt schließen. Dadurch kam es zu massiven Umsatzausfällen.
Auch für das "Wertstoffzentrum Veitsbronn" gewinnt "1+1" deshalb an Relevanz. Gleichzeitig wächst die Bedeutung des Zentrums, schätzt Mitarbeiterin Madeleine Büsching: "Denn der Anteil derer, die krisenbedingt arbeitslos werden, wird steigen."