Bielefeld (epd). Die Umstellung von Integrationskursen für Zuwanderer auf Digitalangebote stellt Lehrkräfte nach Angaben von Experten vor große Herausforderungen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe nach der Schließung der Bildungseinrichtungen wegen der Corona-Pandemie schnell viel Geld in die Hand genommen, um digitale Kursangebote auf die Beine zu stellen, sagte die Geschäftsführerin des Berufsverbandes für Integrations- und Berufssprachkurse, Christiane Carstensen, in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). Damit habe man das zuvor erreichte Sprachniveau zwar in vielen Fällen sichern, Migranten ohne WLAN-Zugang, ohne digitale Endgeräte oder mit unzureichender Medienkompetenz jedoch nicht erreichen können.
Auch sei der individuelle Beratungsaufwand für die digitalen Lernplattformen unterschätzt worden, sagte die Soziologin weiter. In vielen Einzelgesprächen hätten die Dozenten Ängste besonders von älteren Migranten gegenüber digitalen Medien abbauen müssen, Erklärungen gegeben und persönlichen Kontakt zu den Lernenden gehalten. Solche Leistungen seien von den Lehrkräften und Trägern vielfach ohne Honorar erbracht werden. "Das geht für den Moment, aber nicht auf Dauer", mahnte Carstensen.
Künftig müsse neben dem Unterricht auch die Beratung finanziert werden, forderte sie. Außerdem müsse Bürokratie bei der Verwaltung und Abrechnung der unterschiedlichen Kurssysteme abgebaut werden, zu denen jetzt noch die neuen Online-Angebote hinzukämen. "Im Moment sind die Kollegen überproportional mit Verwaltung statt pädagogischer Arbeit beschäftigt", beklagte die Geschäftsführerin. Die freiberuflich tätigen Honorardozenten seien zudem vielfach "durch die Raster der Soforthilfen gefallen und auf Hartz IV zurückgeworfen".
Bei den Integrations- und Berufssprachkursen für Zuwanderer sollte es laut Carstensen nach einem Neustart eine Kombination aus Online- und Präsenzangeboten geben. "Aufgrund der Corona-Pandemie können wir Präsenzkurse künftig nicht mehr in der bisherigen Größe anbieten", sagte sie. Um allen Migranten Zugang zu den Maßnahmen zu ermöglichen, brauche es eine angemessen finanzierte Mischform.
Das Bundesamt hat nach eigenen Angaben in der Corona-Krise mit rund 40 Millionen Euro rund 7.000 Online-Tutorien und virtuelle Klassenzimmer ermöglicht. Derzeit überbrücken laut der Behörde 83.000 von 220.000 Zuwanderern die durch die Pandemie verursachte Unterbrechung ihrer Sprachkurse durch digitale Angebote.
Der im Januar gegründete Berufsverband für Integrations- und Berufssprachkurse (BVIB) setzt sich für die Qualitätssicherung des Unterrichts sowie für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein. Mitglieder sind nach eigenen Angaben rund 150 Lehrkräfte und Träger von Bamf-geförderten Sprachkursen für Migranten.