Köln (epd). Die frühere Bundesjustizministern Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat die Politik aufgefordert, die Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie permanent zu überprüfen und auch wieder "zurückzuführen". "Die Grundrechte sind so massiv eingeschränkt worden, wie wir es noch nie kannten in den 71 Jahren unseres Grundgesetzes", sagte die FDP-Politikerin am Samstag im Radiosender WDR5 aus Anlass der Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949. "Die Freiheitsbeschränkungen müssen begründet werden, aber nicht die Lockerungen."
Es sei ein "absolutes Muss", nun klar zu regeln, unter welchen Voraussetzungen mehr Bewegungsfreiheit beispielsweise in Kitas und im Reiseverkehr möglich sei, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Teilweise würden Regierungen inzwischen von Gerichten zu Lockerungen und Öffnungen gezwungen, etwa im Blick auf das Versammlungsrecht.
Die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte warnte indirekt davor, das Demonstrationsrecht von Kritikern und Gegnern der Anti-Corona-Maßnahmen zu beschneiden. "Versammlungsfreiheit gehört essenziell zu unserem Zusammenleben, auch in Pandemie-Zeiten, auch wenn Unsinn gefordert werden sollte", betonte die ehemalige Justizministerin. Dafür gebe es Schutzkonzepte, deren Einhaltung die Polizei effektiv und mit Augenmaß kontrollieren müsse: "Dann können wir Grundrechte leben in diesen Zeiten."
Für die Zukunft verlangte Leutheusser-Schnarrenberger eine andere Form des Umgangs mit Pandemieauswirkungen, dazu gehöre die Stärkung von Parlamenten. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass "ein paar Eliten und Mächtige alles steuern", sagte die 68-Jährige. Sie kritisierte, dass Bayern ohne Parlamentsbeteiligung eine "notstandsähnliche Lage" ausgerufen habe. Die Parlamente müssten an derlei massiven Weichenstellungen und an vorübergehenden Beschränkungen von Freiheitsrechten beteiligt werden.