Es ist 11 Uhr an diesem Vormittag, und die Bänke in der evangelischen Auferstehungskirche im Münchner Westend sind gut besetzt. So gut, wie es in Zeiten der Corona-Krise eben geht: Jede zweite Bankreihe ist gesperrt, der Abstand zum Nachbarn ist groß. An die 20 Menschen haben sich versammelt, aber nicht wegen des Gottesdienstes Manche lesen Zeitung. Sie warten darauf, dass es in einer Stunde das kostenlose Mittagessen gibt.
"Der Kreis derer, die darauf angewiesen sind, ist durch die Corona-Krise gewachsen", sagt Matthias Weinzierl, einer der ehrenamtlichen Helfer in der Kirche. "Wir haben hier viele Stammkunden", sagt der 48-Jährige, darunter viele Rentner, aber auch Väter mit Kindern, Obdachlose. Die Auferstehungskirche kostet das Essen für Bedürftige pro Tag 1.300 Euro - Geld, das durch Spenden und Zuschüsse aufgebracht wird.
300 Essen pro Tag
Weinzierl hat einen Wirteschein, was für die Essensausgabe wichtig ist, denn er kann eine "Infektionsschutzbelehrung" vorweisen. 300 Essen pro Tag werden unter dem Motto "Das Westend tafelt" an Bedürftige ausgegeben.
Das Westend ist ein altes Arbeiterviertel. Seit dem Beginn der Corona-Krise sind viele Hilfsangebote für einkommensarme Menschen weggebrochen. So hat die Münchner Tafel ihre lokalen Verteilerstellen - darunter auch die im Westend - geschlossen, Lebensmittel gibt es jetzt nur noch zentral bei der Großmarkthalle. Die aber ist nicht für jeden erreichbar. Deshalb hatten einige Initiativen aus dem Stadtviertel das jetzige Hilfsangebot aus der Taufe gehoben, unter anderem der zuständige Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe. "Wir engagieren uns, weil es sonst niemand tut", sagt deren Vorsitzende Sybille Stöhr.
"Die Leute kommen nicht nur wegen des Essens"
Das Essen wird von einem im Viertel ansässigen Brauereirestaurant geliefert. Heute gibt es entweder Fleischpflanzerl mit Kartoffelsalat oder Spinatspätzle, tags zuvor gab es Hühnchen. "Die Leute kommen nicht nur wegen des Essens", sagt Matthias Weinzierl, "sondern auch, um wenigstens ein bisschen Kontakt zu haben." Deshalb mache es ihnen auch nichts aus, bereits eine Stunde vor Essensausgabe in der Kirche zu sitzen.
Dort findet man zum Beispiel Karl, einen 73-jähriger Rentner. Er hat früher zeitweise in einem Reisebüro gearbeitet, die Rente ist klein. Normalerweise deckt er sich mit Lebensmitteln in der Pfarrgemeinde St. Anna ein, ein gutes Stück entfernt. Dort gibt es aber nur eine Brotzeit, hier ein warmes Mittagessen. "Die Schweinshaxe neulich", sagt er, "die war sehr gut." Nur ein bisschen kalt, denn man darf das Essen nur mitnehmen, muss es zu Hause oder im Park verzehren.
Nur einzeln in den Pfarrsaal eintreten
Ein paar Bänke weiter sitzt die 73-jährige Rita, sie ist schwerbehindert. "Es ist egal, ob ich zu Hause sitze oder hier", sagt sie. Über Geld, beziehungsweise Geld, das man nicht hat, beschwert sie sich nicht. Wichtig sei die Gesundheit.
Jetzt ist es zehn Minuten vor zwölf, die Ehrenamtlichen haben ihre Plätze eingenommen. Da steht Belel Jumaa an der Essensausgabe, der 35-jährige Flüchtling aus Syrien ist gelernter Koch. Auch Bernd Berger, Pfarrer an der Auferstehungskirche, hilft heute aus. Auf einer Tafel ist der "Schlachtplan" aufgezeichnet, worauf steht, was es zu essen gibt und welcher Abstand einzuhalten ist. Klar, dass alle Helfer Masken tragen. Um 12 Uhr wird mit der Essensausgabe begonnen, die Leute dürfen aber nur einzeln in den Pfarrsaal eintreten und müssen einen Sicherheitsabstand einhalten. Auf der anderen Seite geht es dann wieder hinaus. Ist um 14 Uhr noch Essen übrig, wird es an die Münchner Bahnhofsmission verteilt.