Gottesdienst mit Gemeinde  und Mundschutz evangelischen Berliner Dom während Corona-Pandemie .
© epd-bild/Rolf Zoellner
Umstritten ist das Verhalten der Kirchen während der Corona-Pandemie gegenüber, Kranken, Ältern und Sterbenden und wegen des Schließens der großen Hallenkirchen in den Städten. Mitteldeutschlands Landesbischof Kramer weist die Kritik zurück.
Debatte um Rolle der Kirchen während Corona-Krise
Landesbischof Kramer weist Lieberknecht-Kritik zurück
Sind die Kirchen während der Corona-Pandemie nahe genug an den Menschen? Kritiker bezweifeln das. Die Kirchen selbst weisen die Vorwürfe zurück. Man habe aus Gründen des Gesundheitsschutzes gar nicht anders handeln können, hieß es.

Um die Rolle der Kirchen während der Corona-Pandemie ist eine Debatte entbrannt. Die frühere Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hatte kritisiert, die Kirche habe in der Corona-Krise Hunderttausende Menschen allein gelassen - Kranke, Einsame, Alte, Sterbende. Dies weisen Theologen wie der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, zurück. Der Gesundheitsschutz verlange, "dass wir die Regeln einhalten", sagte der Leitende Geistliche am Dienstag in Erfurt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Nach Ansicht des Hauptgeschäftsführers des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, spielen die Kirchen eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Corona-Krise.

Friedrich Kramer ist seit dem 10.05.2019 Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.

Lieberknecht bekräftige am Dienstag ihre zuerst in der Tageszeitung "Die Welt" geäußerte Kritik. Es gebe Situationen, "in denen man gerade ältere Menschen, die im Sterben liegen, die schwer krank sind, nicht mehr durch Telefonate oder Briefe erreichen kann", sagte die frühere evangelische Gemeindepfarrerin dem Portal "domradio.de". Auch das Schließen der großen Hallenkirchen in den Städten sei ein Fehler gewesen: "Da hätte der Abstand locker gewährleistet werden können. Dass die dann auch sehr schnell geschlossen waren, hat mich schon sehr verwundert."

Landesbischof Kramer erklärte: "Schutzkleidung und Tests konnten wir nicht besorgen, was in einzelnen Fällen Besuche in Einrichtungen unmöglich gemacht hat". Die derzeitigen Lockerungen weiten aus seiner Sicht den Spielraum für mehr direkte Begegnungen zwischen den Menschen und mit den Seelsorgern aus. "Ich finde es großartig, wie kreativ Kirchgemeinden und die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden Wege gefunden haben, in dieser Krise bei den Menschen zu sein", unterstrich Kramer.

Der evangelische Bischof Tilman Jeremias wies den Vorwurf zurück, die Kirche sei in der Corona-Pandemie gesellschaftlich bedeutungslos. Es sei vielleicht gerade die Stärke der Kirche, "sich weniger als marktschreierische Welterklärerin zu gerieren denn als hilfsbereite Begleiterin verunsicherter oder kranker Menschen", schreibt Jeremias in einem Gastbeitrag in der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt". Vielleicht werde die Kirche gerade kritisiert, weil sie zurückhaltender und leiser agiere als Politik und Wissenschaft, schreibt Jeremias, der als Bischof der evangelischen Nordkirche zuständig für den Sprengel Mecklenburg und Pommern ist.

Nach Ansicht des Wiener Theologen Ulrich Körtner hat die Corona-Krise einen zunehmenden Bedeutungsverlust der Kirchen deutlich gemacht. "Vom Shutdown gab es für die Kirchen und andere Religionsgemeinschaften keine Ausnahmen", heißt es in einem Beitrag des Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien für die Zeitschrift "zeitzeichen" (Juni-Ausgabe). Religion, so die Lehre der zurückliegenden Monate, sei in der säkularen Gesellschaft nicht "systemrelevant".

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Landsberg, sagte der Bonner Kirchenzeitung "Protestant", die Kirche sei "im wahrsten Sinne des Wortes systemrelevant". Umso erstaunlicher sei, "dass in der langen Liste von Berufsgruppen und Berufsbezeichnungen, die von der Landesregierung als systemrelevant eingestuft werden, die Pfarrerinnen und Pfarrer nicht auftauchen." Dies halte er für nicht akzeptabel. "Hier besteht Korrekturbedarf", betonte Landsberg der als berufenes Mitglied der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland angehört.