Rom (epd). Die Zahl der hungernden Menschen könnte in weiten Teilen Afrikas wegen der Corona-Pandemie deutlichen zunehmen. Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen gegen das Virus kämen zu zahlreichen regionalen Konflikten, Dürren, Überflutungen und einer massiven Heuschreckenplage hinzu, erklärte das Welternährungsprogramm (WFP) am Dienstag. Am größten sei die Bedrohung für arme Menschen in den Slums großer Städte und Millionen Flüchtlinge. "Mehr Menschen werden vermutlich wegen der sozio-ökonomischen Auswirkungen von Covid-19 sterben als am Virus selbst", sagte stellvertretende WFP-Regionaldirektorin Brenda Behan in Nairobi.
Im südlichen Afrika könnten in den kommenden Wochen und Monaten etwa 42 Millionen Menschen Lebensmittelhilfen brauchen, um zu überleben. Bereits jetzt haben demnach 26 Millionen Menschen auf dem Land nicht genug zu essen. Zwar würden die bevorstehenden Ernten die Lage entschärfen, doch Ausgangsbeschränkungen erschwerten es den Bauern, ihre Produkte zu verkaufen. Der Höhepunkt der Pandemie wird im südlichen Afrika erst zwischen Mitte Juli und September erwartet.
Rund 20 Millionen Menschen in neun Ländern in West- und Ostafrika hungerten laut WFP bereits vor der Corona-Krise. Ihre Zahl könnte in Äthiopien, Südsudan, Kenia, Somalia, Uganda, Ruanda, Burundi, Dschibuti und Eritrea auf bis zu 43 Millionen steigen. Etwa 3,3 Millionen von ihnen sind demnach Flüchtlinge. Wegen Finanzierungslücken bekämen die meisten von ihnen bereits jetzt weniger Lebensmittel als sie bräuchten, erklärte die Regionaldirektorin des Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Clementine Nkweta Salami.
Für die Lebensmittel-Nothilfe weltweit jenseits der Corona-Pandemie brauche das WFP von Mai bis Oktober 7,1 Milliarden US-Dollar, sagte Sprecherin Bettina Lüscher in Berlin. "Wir haben bisher rund die Hälfte davon bekommen." Damit wolle das Programm etwa 100 Millionen Menschen erreichen, von denen 30 Millionen ohne die UN-Hilfe verhungern würden. Wie groß der zusätzliche Bedarf wegen Covid-19 sei, sei noch nicht abzusehen. "Die Zahl der Hungernden wird weiter steigen", sagte Lüscher. "Wir befürchten, dass die wirtschaftlichen Konsequenzen der Pandemie viel verheerender sein werden als die medizinischen."
Der Meinung ist auch der Nothilfe-Koordinator der UN-Organisation für Ernährungs- und Landwirtschaft (FAO), Dominique Burgeon in Rom. Um ihrerseits mit längerfristigeren Mitteln als das WFP gegen einen drastischen Anstieg der Zahlen der Hungernden zu kämpfen, benötigt die UN-Organisation 350 Millionen Dollar. "Wir können nicht abwarten, bis wir die gesundheitlichen Folgen gelöst haben, bevor wir uns um Ernährungssicherheit kümmern", sagte FAO-Generaldirektor Qu Dongyu. "Wenn wir nicht jetzt mit der Hilfe beginnen, werden wir zahlreiche Hungerkrisen haben und eine um ein Vielfaches höhere Rechnung."
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