Frankfurt a.M. (epd). Vier medizinische Fachgesellschaften haben Bund, Länder und Kommunen aufgerufen, Kitas und Schulen trotz der Corona-Pandemie so bald wie möglich vollständig zu öffnen. Insbesondere bei Kindern unter zehn Jahren sprächen die aktuellen Daten sowohl für eine niedrigere Infektions- als auch für eine deutlich geringere Ansteckungsrate, heißt es in einem gemeinsamen Papier. Der SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach warnte indes vor einer weiteren Öffnung der Schulen.
Die Fachgesellschaften betonen, die Daten aus vielen Untersuchungen, Studien, Modellberechnungen und Ausbruchsanalysen wiesen in eine Richtung: Kinder und Jugendliche seien nicht die treibende Kraft der Pandemie. Im Gegensatz dazu seien die sozialen und gesundheitlichen Folgen der Schließungen gravierend, erklären die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene, die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland. Indem diese Folgen für Kinder und Jugendliche nicht thematisiert worden seien, seien deren elementare Rechte verletzt worden.
Die Bedeutung von Schul- und Kitaschließungen auf die Dynamik der weiteren Infektionsausbreitung werde als gering eingeschätzt, heißt es weiter in dem Papier, über das zuerst die "Neue Osnabrücker Zeitung" (Dienstag) berichtet hatte. Kindertagesstätten und Grundschulen sollten daher möglichst zeitnah wiedereröffnet werden. Das Risiko für Lehrer, Erzieher, Betreuer und für Eltern lasse sich durch Einhaltung der wichtigen Hygieneregeln seitens der Erwachsenen und der Jugendlichen ausreichend kontrollieren.
In Kindertagesstätten und Grundschulen sei eine Öffnung nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung "aufseiten der Kinder ohne massive Einschränkungen" möglich, schreiben die Experten in ihrer Stellungnahme. Die Kinder könnten etwa im Händewaschen und achtsamen Hygieneverhalten im Umgang miteinander, beim Essen und in den Sanitäreinrichtungen spielerisch und kindgerecht unterwiesen werden. "Kleinstgruppenbildung und Barriereschutzmaßnahmen wie Abstandswahrung und Maskentragen" seien unnötig. Schüler in weiterführenden Schulen könnten aktiver in den Hygieneschutz einbezogen werden, etwa durch Abstandswahrung und das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung.
Entscheidender als die individuelle Gruppengröße seien eine Konstanz der jeweiligen Gruppe und das Vermeiden von Durchmischungen, heißt es. Größere Gruppenbildungen in Pausen sowie während Bring- und Abholphasen sollten vermieden werden. Lehrkräfte seien zu schützen durch Masken, Abstand untereinander und Hygienemaßnahmen.
Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach erklärte hingegen, die Öffnung der Schule könne ein großes Problem werden, denn es fehle an geeigneten Hygienekonzepten, um einen guten Unterricht zu ermöglichen. "Halber Unterricht, doppelte Hausaufgaben ist zu kurz gedacht", sagte er der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag). Virusausbrüche in Schulen seien nicht ausgeschlossen.