Genf (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und weitere Politiker haben zu gemeinsamen internationalen Anstrengungen gegen die Corona-Pandemie aufgerufen. "Wir erleben eine globale Krise", betonte die Kanzlerin am Montag in einer Videobotschaft zum Auftakt des Jahrestreffens der Weltgesundheitsorganisation (WHO). "Diese Krise kann kein Land allein lösen, wir müssen gemeinsam handeln."
Auf der ersten Online-Weltgesundheitsversammlung der WHO mit Sitz in Genf wurden auch Rufe nach einer Untersuchung der Reaktionen auf den Corona-Ausbruch laut. Die Versammlung sollte eine von der EU eingebrachte Resolution verabschieden, die Ermittlungen vorsieht. Der erste von zwei Versammlungstagen sollte gegen Mitternacht enden.
Der chinesische Präsident Xi Jinping verteidigte sein Land gegen Vorwürfe der Vertuschung und des Versagens aus den USA. China habe mit Offenheit und Transparenz auf den Ausbruch reagiert und die internationale Gemeinschaft so früh wie möglich informiert, betonte er.
China habe rechtzeitig Daten des Erregers weitergeleitet, sagte Xi. Damit reagierte er auf die Kritik vor allem aus den USA, die China eine Vertuschung des Ausbruches vorwerfen. Ende 2019 waren die ersten Fälle der Atemwegskrankheit in China aufgetreten, die später den Namen Covid-19 erhielt.
US-Gesundheitsminister Alex Azar hingegen bekräftigte in einem kurzen Statement die scharfe Kritik seiner Regierung an China. Er warf auch der WHO Versagen in der Corona-Krise vor. Azar verlangte eine Reform der WHO, sie müsse transparenter werden. Die US-Regierung - der größte Beitragszahler der WHO - wirft der UN-Organisation vor, sich zum Sprachrohr Chinas gemacht und bei der Verschleierung des Ausbruchs geholfen zu haben. Die USA setzten die Zahlungen an die WHO aus.
Merkel verwies auf bislang fast fünf Millionen nachgewiesene Infektionen und rund 300.000 gemeldete Todesfälle, auf geschlossene Grenzen und Einschnitte im Wirtschafts- und Alltagsleben, von denen kaum ein Land verschont sei. "Die Weltgesundheitsorganisation ist die legitimierte globale Institution, bei der die Fäden zusammenlaufen", sagte die Kanzlerin.
Deshalb müsse immer wieder geprüft werden, wie die Abläufe innerhalb der WHO weiter verbessert werden könnten. Dazu gehöre auch ein nachhaltiges Finanzierungssystem. "Am dringendsten aber ist jetzt natürlich, die Coronavirus-Pandemie einzudämmen", betonte Merkel. Dafür seien weltweit geeignete Diagnose- und Therapiemittel nötig sowie die Entwicklung eines Impfstoffs, der für alle zugänglich und bezahlbar sein müsse.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte laut Redetext: "Zur notwendigen WHO-Reform wird Deutschland mit Frankreich ein Konzept vorlegen und während seiner EU-Ratspräsidentschaft weiter entwickeln." Auch der französische Staatspräsident Emmanuel Macron unterstrich die Notwendigkeit einer gemeinsamen Reaktion: "Einheit und Solidarität" seien gefragt, sagte er.
UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte die fehlende Einheit der Länder im Kampf gegen die Corona-Pandemie scharf. Die Länder hätten oft sich widersprechende Strategien gegen das Coronavirus eingeschlagen, und die Welt zahle jetzt einen hohen Preis, sagte er.
Guterres hielt fest, dass viele Länder die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation ignoriert hätten. Als Konsequenz habe sich das Virus um die ganze Welt verbreitet. Vor Guterres hatte die Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga eine gründliche und kritische Untersuchung der Krise gefordert. Sie forderte ebenso eine bessere finanzielle Ausstattung der WHO. Die WHO veranstaltete das Jahrestreffen aufgrund der Reisebeschränkungen und des Infektionsrisikos mit dem Corona-Erreger via Internet.