Berlin, São Paulo (epd). In Brasilien breitet sich die Corona-Pandemie immer schneller aus. Inzwischen wurden mehr als 240.000 Infektionen registriert, etwa 16.000 Menschen sind an den Folgen von Covid-19 verstorben, wie die Zeitung "Estado de São Paulo" am Sonntagabend (Ortszeit) berichtete. Damit hat Brasilien Italien und Spanien in der Zahl der Infizierten überholt. Besonders dramatisch ist die Situation in den Metropolen São Paulo und Rio de Janeiro sowie in der Amazonas-Region.
Dennoch weist Präsident Jair Bolsonaro weiterhin alle Schutzmaßnahmen zurück und verharmlost die Pandemie als "kleine Grippe". Er beteiligte sich am Sonntag zusammen mit weiteren Kabinettsmitgliedern ohne Schutz an einer Demonstration seiner Anhänger in der Hauptstadt Brasília. Dort kritisierte er erneut die Beschränkungen des öffentlichen Lebens durch die Gouverneure, die nach seiner Einschätzung nur die Wirtschaft belasten.
São Paulos Bürgermeister Bruno Covas warnte derweil vor einem kompletten Kollaps des Gesundheitswesens. Schon jetzt seien mehr als 90 Prozent der Intensiv-Betten belegt, sagte er. Innerhalb eines Monats sei die Zahl der Toten in der 13-Millionen-Metropole um 446,6 Prozent gestiegen. 6.067 Menschen seien in der Stadt an den Folgen von Covid-19 verstorben. Die soziale Isolation und die Ausgangsbeschränkungen seien nicht ausreichend, um der Pandemie Einhalt zu gebieten.
Die Ausgangsbeschränkungen im Bundesstaat São Paulo werden laut einer Untersuchung der Zeitung "Folha de São Paulo" nur zu etwa 50 Prozent eingehalten. Vor allem in der armen Peripherie können sich die Bewohner nicht an eine strenge soziale Isolation halten.
Die Pandemie bedroht zunehmend auch die Ureinwohner. Die Vereinigung der Ureinwohner Apib warnte vor einem Massaker an den indigenen Völkern. In 38 indigenen Gemeinschaften habe sich das Virus ausgebreitet und 102 Ureinwohner seien bereits an den Folgen gestorben, schreibt Apib via Twitter. Mehr als 400 Ureinwohner sind infiziert.
Im Streit mit Bolsonaro war am Freitag Gesundheitsminister Nelson Teich nach nur 27 Tagen im Amt zurückgetreten. Sein Vorgänger, Luiz Henrique Mandetta, wie Teich Arzt von Beruf, war im April wegen Unstimmigkeiten im Umgang mit der Corona-Krise von Bolsonaro entlassen worden.