Köln (epd). Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) hält die Einschränkung von Grundrechten in der Corona-Krise für verhältnismäßig". Für Demonstrationen gegen Einzelmaßnahmen habe er grundsätzlich Verständnis, sagte er am Samstag im WDR5-Radio. Kein Verständnis habe er dafür, "dass die Demonstrationen zunehmend unterwandert werden von Extremisten, die sie nutzen, um unser System zu diskreditieren".
Die Grundrechtseinschränkungen seien enorm, aber die Gerichte seien wachsam. "Und wir haben einen funktionierenden Rechtsstaat, der auch fähig ist zu Korrekturen." Sehr gefährlich sei aber die Skepsis einiger gegenüber der Demokratie. Sie komme auch aus der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft. "Wir müssen unsere Demokratie gerade jetzt verteidigen", mahnte Baum, der von 1977 bis 1982 Bundesinnenminister war.
Bei den Menschen habe sich viel aufgestaut, sagte der FDP-Politiker und Rechtsanwalt mit Blick auf zahlreiche Demonstrationen gegen Beschränkungen zu einer Zeit, in der viele dieser Auflagen bereits wieder aufgehoben werden. Es machten sich Frust und eine Sehnsucht breit, sich wieder in Freiheit bewegen zu können. "Das verstehe ich, genauso wie die berechtigte Kritik an Einzelmaßnahmen." Die Diskussion müsse geführt werden, "aber nicht so, dass man generell die Maßnahmen infrage stellt, die einen selbst schützen sollen".
Grundsätzlich bewerte er die Grundrechtseingriffe, die von der Bundesregierung mit der Sorge um den Schutz des Lebens begründet wurden, als verhältnismäßig, sagte Baum. "Der Lebensschutz ist sehr eng an die Menschenwürde geknüpft. Das ist nichts Beliebiges. Wenn der Mensch tot ist, hat er überhaupt keine Menschenwürde mehr."
Eine Alternative habe es in dieser Situation nicht gegeben, betonte er. Ausgangssperren seien weltweit verhängt worden. Diese sehr rigorose Maßnahme habe überall dazu geführt, dass die Zahlen zurückgegangen sind. "Die Lockerungen sind ein Experiment auf der Basis wissenschaftlicher Daten." Daher habe er kein Verständnis für eine Diskreditierung von Wissenschaftlern.