Berlin (epd). In der ersten Beratung des Bundestags hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erneut für die Grundrente geworben. Auch Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) bekannte sich am Freitag im Parlament zu dem Projekt. Die Opposition sparte nicht mit Kritik an den Plänen. Zuvor hatte der Wirtschaftsflügel der Union mit einer Blockade gedroht. Bedenken kamen auch vom Unions-Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus (CDU).
Mit der Grundrente sollen niedrige Renten von rund 1,3 Millionen Menschen aufgestockt werden, wenn sie mindestens 33 Jahre Beiträge in die Rentenversicherung für Arbeits-, Erziehungs- oder Pflegezeiten eingezahlt haben. Die Union hatte in monatelangen Verhandlungen bis zu einer Einigung in diesem Februar gegen die SPD eine Einkommensprüfung durchgesetzt. Für die SPD ist die Grundrente eines der wichtigsten Projekte dieser Legislaturperiode. Sie soll im Einführungsjahr 2021 rund 1,3 Milliarden Euro kosten und aus Steuern finanziert werden.
Arbeitsminister Heil betonte, die Grundrente komme Menschen zugute, die viel leisten, aber wenig verdienen, insbesondere Frauen und Ostdeutschen. Viele von ihnen seien die Alltagshelden in der Corona-Krise. Sie hätten eine ordentliche Rente verdient.
Zur aktuellen Debatte um die Kosten sagte Heil, die Grundrente sei durchaus ein finanzieller Kraftakt. Aber die Frage sei, "welches verheerende gesellschaftliche Signal" davon ausgehe, sie infrage zu stellen. Die Interessenvertreter, die in der Corona-Krise Milliardensummen vom Steuerzahler forderten, gönnten anderen die Grundrente nicht. Die Wirtschaftshilfen seien richtig, um Arbeitsplätze zu erhalten, die Grundrente sei sozial geboten, sagte Heil: "Deutschland kann es sich nicht leisten, die Grundrente nicht zum 1. Januar nicht einzuführen."
Unionsfraktionsvize Gröhe betonte, die Grundrente müsse zielgenau und solide finanziert sein. Union und SPD hätten um einen entsprechenden Kompromiss gerungen. Allerdings werde es angesichts der technischen Probleme bei der Umsetzung zu einer gestaffelten Einführung der Grundrente kommen, sagte Gröhe. Er forderte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) auf, bis Ende Mai eine Finanzierung zu erarbeiten.
Die AfD lehnte die Grundrente ab. Sie schaffe neue Ungerechtigkeiten, sagte die rentenpolitische Sprecherin Ulrike Schielke-Ziesing. Aus Sicht der FDP erreicht die Koalition gerade die Bedürftigsten nicht. Sie erfüllten die Beitragszeiten nicht, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Fraktion, Johannes Vogel. Er bemängelte außerdem die ungeklärte Finanzierung und hohe Verwaltungskosten.
Den Linken fällt die Grundrente zu niedrig aus. Die Union habe Heils ursprünglichen Gesetzentwurf deutlich verschlechtert, kritisierte der Renten-Experte Matthias Birkwald. Der Rentenpolitiker der Grünen, Markus Kurth, zeigte sich kooperativ, obwohl er dem Koalitionsvorschlag viele Mängel attestierte. Die Menschen dürften aber nicht enttäuscht werden, sagte er. Sonst bröckele generell die Akzeptanz für die Rentenversicherung.
Über eine Mindestrente für Geringverdiener wird bereits seit zehn Jahren diskutiert. Zwei Vorgänger-Regierungen sind daran gescheitert.
Vor der ersten Beratung im Bundestag hatte der Wirtschaftsflügel der Union mit einer Blockade gedroht. Der Bundesvorsitzende der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU, Carsten Linnemann, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag): "Der Gesetzentwurf zur Grundrente ist in dieser Form nicht zustimmungsfähig." Als Hauptgrund nannte er, dass die Finanzierung nicht gesichert sei.
Der Unionsfraktionsvorsitzende Brinkhaus, der in der Bundestagsdebatte nicht das Wort ergriff, sagte im Deutschlandfunk, die Union sei zwar vertragstreu. Die Grundrente werde aber nur nach einer Bedarfsprüfung ausgezahlt, und dafür fehlten derzeit die verwaltungstechnischen Voraussetzungen. Heil und Scholz sollten ihre Arbeit machen, statt dass immer wieder SPD-Politiker der Union vorhielten, sie wolle die Grundrente nicht, forderte Brinkhaus.
Der Sozialverband VdK und die Diakonie Deutschland begrüßten den Start des Gesetzgebungsverfahrens. Die Grundrente müsse kommen, erklärten sie. Altersarmut sei ein wachsendes Problem in Deutschland, sagte Diakonie-Vorstand Maria Loheide. Der Gesetzentwurf wird nun in den Ausschüssen des Bundestags beraten.