London (epd). Viele Regierungen Lateinamerikas nutzen die Corona-Beschränkungen laut Menschenrechtlern für Repressalien gegen die eigene Bevölkerung. Etwa 60 derartige Vorfälle hätten die eigenen Experten in den vergangenen sieben Wochen überprüft, erklärte Amnesty International am Freitag. Dabei hätten sich die Behörden willkürlich verhalten, die Verfolgten kriminalisiert und mit unnötiger und übertriebener Gewalt behandelt. Auch Fälle von Zwangsisolation unter unmenschlichen Bedingungen beobachteten die Menschenrechtler.
In einigen Ländern würden Menschen inhaftiert, wenn sie sich nicht an Quarantänen und Ausgangssperren hielten. So schätzt Amnesty, dass in der Dominikanischen Republik vom 8. April bis zum 7. Mai etwa 27.000 Menschen wegen Verstößen gegen die Beschränkungen und die Maskenpflicht festgenommen wurden, darunter Prostituierte. Dabei hielten sich die Beamten nicht an die Abstandsregeln und gingen mit Gewalt vor. Ähnlich sei die Lage in El Salvador.
In Puerto Rico, Mexiko und der Dominikanischen Republik seien Menschen festgenommen worden, die Lebensmittel kaufen wollten. In mehreren Ländern wie Venezuela und Paraguay würden Personen, die gegen Auflagen verstoßen, öffentlich gedemütigt. Ein Video zeige Menschen auf einem Platz in einer venezolanischen Stadt, die Kniebeugen machen müssten und mit einer Flüssigkeit abgespritzt würden. In Argentinien seien Obdachlose von Polizisten misshandelt worden. Auch gegen Flüchtlinge und Migranten gingen die Behörden in manchen Ländern brutal vor und zwängen sie in Quarantänestationen unter unmenschlichen Bedingungen.
"Covid betrifft und alle, aber nicht in gleichem Maße", erklärte die Amerika-Direktorin der Organisation, Erika Guevara-Rosas. Viele der Menschen, die in Lateinamerika wegen der Pandemie Opfer von Repressionen seien, gehörten zu benachteiligten Gruppen, die Essen und Gesundheitsversorgung bräuchten. "Die Regierungen irren, wenn sie denken, dass repressive Maßnahmen die Menschen vor der Krankheit schützen."
Auch in Ausnahmezeiten müssten die Staaten willkürliche Verhaftungen verbieten. Stattdessen müssten sie die Schwächsten schützen und unterstützen, betonte Guevara-Rosas. Die Behörden müssten sicherstellen, dass auch Menschen, die sich keine Vorratshaltung leisten können, ausreichenden Zugang zu Lebensmitteln hätten. In Venezuela und Honduras seien friedliche Hungerproteste gewaltsam unterbunden worden. Die UN haben vor Hungersnöten in mehreren Ländern gewarnt, darunter Venezuela und Haiti.