Osnabrück (epd). Bei der vom Bundesfamilienministerium initiierten Kinderschutzhotline nimmt die Zahl der Anrufe in der Corona-Krise stark zu. Allein in den ersten beiden Wochen im Mai habe medizinisches Personal in mehr als 50 Verdachtsfällen das Hilfsangebot genutzt und damit fast so häufig wie im gesamten April, sagte Teamleiter und Kinderarzt Oliver Berthold der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag).
"Wir werden teilweise wegen Verletzungen kontaktiert, die sonst nur bei Zusammenstößen mit Autos auftreten. Da geht es um Knochenbrüche oder Schütteltraumata", sagte Berthold. Betroffen seien besonders Kleinstkinder, die noch nicht selbst laufen können. "Da liegt der Verdacht nahe, dass den Kindern massive Gewalt zugefügt wurde."
Berthold berät gemeinsam mit acht Mediziner-Kollegen Anrufer der Kinderschutzhotline. Das Angebot richtet sich speziell an Beschäftigte in medizinischen Berufen wie Ärzte oder Therapeuten. "Wir vermuten, dass im Zuge der ersten Corona-Lockerungen jetzt sichtbar wird, dass es in manchen Familien zu Gewaltausbrüchen in der Krise gekommen ist", sagte Berthold. Überraschend sei die Entwicklung für ihn nicht gewesen. Studien hätten belegt, dass in gesellschaftlichen Krisensituationen die Gewalt gegen die Schwächsten in der Gesellschaft zunimmt. "Das sind in aller Regel die Kinder."
Angesichts der Ausgangsbeschränkungen der vergangenen Wochen sowie geschlossener Schulen und Kitas seien Extremsituation in Familien abzusehen gewesen. "Diese klare Nebenwirkung der Lockdown-Maßnahmen war zu erwarten, auch wenn die Maßnahmen aus epidemiologischer Sicht sinnvoll gewesen sein mögen."