Karlsruhe (epd). Die am 6. Mai von Bund und Ländern vereinbarten Lockerungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben nach zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bestand. Wie die Karlsruher Verfassungsrichter in zwei am Donnerstag veröffentlichten Beschlüssen erstmals klarstellten, hat der Gesetzgeber dabei einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum. (AZ: 1 BvR 1027/20 und 1 BvR 1021/20)
Im ersten Fall hatte ein fast 65-jähriger Mann wegen seines Alters verlangt, dass Lockerungen der staatlichen Corona-Maßnahmen wieder zurückgenommen werden müssen. Da er angesichts seines Alters zur Risikogruppe gehöre, sei bei den beschlossenen Lockerungen der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gefährdet. er Staat sei schließlich zum Schutz seiner Gesundheit verpflichtet.
In der zweiten Verfassungsbeschwerde verlangte dagegen der aus Bayern stammende jüngere Beschwerdeführer, dass für unter 60-Jährige weitere Lockerungen gelten müssten. Für Jüngere bestehe keine solch große Gesundheitsgefahr. Eine Corona-Infektion sei allenfalls mit einer normalen Grippe zu vergleichen. Die Freiheit jüngerer, nicht gefährdeter Personen dürfe nicht zum Schutz von Risikogruppen beschränkt werden. Der Staat könne Quarantänemaßnahmen allein gegen gefährdete Personen erlassen.
Die Verfassungsrichter wiesen beide Verfassungsbeschwerden zurück. Im ersten Fall habe der fast 65-Jährige nicht berücksichtigt, dass der Staat bei den Lockerungsmaßnahmen einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum habe. Die Verletzung einer Schutzpflicht könne das Bundesverfassungsgericht nur feststellen, wenn der Staat gar nichts unternehme oder Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder unzulänglich Das sei hier nicht ersichtlich.
Im zweiten Verfahren habe dagegen der jüngere Beschwerdeführer nicht berücksichtigt, dass der Staat auch Freiheitsrechte gesünderer und vermutlich weniger gefährdeter Menschen beschränken kann, um so die Gesundheit von Risikogruppen zu schützen. Der Staat habe einen Spielraum bei der Abwägung der Grundrechte einzelner Gruppen und Personen. Das sei auch gerechtfertigt und verhältnismäßig, da die einzelnen Freiheitsbeschränkungen von vornherein befristet seien und stetig gelockert würden.