Washington (epd). "Human Rights Watch" hat an die US-Behörden appelliert, entschlossen gegen die Corona-Krise in Haftanstalten vorzugehen. Es drohe eine Gesundheitskatastrophe, warnte Justizvollzugsexperte John Raphling. Ohne entschiedenes Einschreiten werde für Inhaftierte die Haftstrafe zur Todesstrafe. Mehr als zwei Millionen Menschen sind in den USA in Haft.
Die Menschenrechtsorganisation legte einen 19-seitigen Maßnahmenkatalog vor. Behörden müssten die Anzahl der Menschen im Vollzug so stark reduzieren, dass die in der Gesellschaft praktizierten Abstandsvorschriften eingehalten werden könnten. Entlassen werden sollten Inhaftierte kurz vor ihrem Strafende, kranke und ältere Menschen sowie viele Untersuchungshäftlinge.
Inhaftierte lebten häufig zu zweit in Zellen oder sie verbrächten die Nächte in Schlafsälen. Das Coronavirus bedrohe auch das Vollzugspersonal. Verantwortliche auf allen Ebenen der Politik hätten die Macht, diese Zustände zu verändern, betonte Raphling.
"Human Rights Watch" prangerte besonders Bedingungen im Gefängnis von Chicago an. 500 Häftlinge und Wärter seien positiv auf das Coronavirus getestet worden, sechs Menschen seien gestorben. Im Gefängnis Rikers Island in New York City seien laut Erhebung am 23. April mehr als 800 Bedienstete und 373 Inhaftierte positiv getestet gewesen.
Laut dem Institut "Prison Policy Initiative" in Massachusetts sitzen 470.000 der Häftlinge in Untersuchungshaft, 328.000 sind wegen Drogenvergehen verurteilt. Vollzugsanstalten haben in den vergangenen Wochen wegen des Virus bereits zahlreiche Häftlinge entlassen. Genaue Zahlen dazu liegen nicht vor.