Sandbostel (epd). Mit einem eindringlichen Appell hat der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zum Kampf gegen zunehmenden Antisemitismus, Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in der Gesellschaft aufgerufen. Bei einer virtuellen Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des NS-Kriegsgefangenenlagers im niedersächsischen Sandbostel sagte Weil am Mittwoch, die Erinnerung an die Verbrechen des NS-Regimes sei wichtig, reiche aber nicht. Das Gedenken sei eine Aufforderung, sich gegen Antisemitismus, Diktatur und Unterdrückung zu engagieren.
Am Nachmittag des 29. April 1945 hatten britische Truppen das Kriegsgefangenenlager Sandbostel erreicht und dort etwa 14.000 Kriegsgefangene und 7.000 KZ-Häftlinge befreit. Ursprünglich wurden zum Gedenken daran vor Ort Angehörige von Kriegsgefangenen aus der ganzen Welt erwartet. Doch aufgrund der Corona-Pandemie wurden die Planungen gestoppt und das Gedenken virtuell gestaltet.
Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister sagte in einem Grußwort, Sandbostel sei mittlerweile zu einem wichtigen Friedensort geworden, weil dort mit großem Engagement Gedenk- und Lernarbeit gestaltet werde. Er wünsche sich, dass weiterhin viele Menschen kämen und lernten, was der Mensch dem Menschen antun könne und was daraus für eine friedliche Zukunft in Deutschland und weltweit folge. Im vergangenen Jahr zählte die Gedenkstätte etwa 12.000 Besucherinnen und Besucher, darunter waren viele Schulklassen.
Die Zahl der in Sandbostel gestorbenen Kriegsgefangenen ist bis heute nicht geklärt. Nachweisbar sind nach Informationen der Gedenkstätte mindestens 5.200 Kriegsgefangene und etwa 3.000 KZ-Häftlinge. "Es dürften aber insbesondere deutlich mehr sowjetische Soldaten auf der heutigen Kriegsgräberstätte Sandbostel in Massengräbern ruhen", sagte Gedenkstättenleiter Andreas Ehresmann. Hinzu kämen etwa 10.000 sowjetische Kriegsgefangene, die in Sandbostel registriert gewesen und in einem der Arbeitskommandos gestorben seien.