Hamburg (epd). Die Kindertagesstätten sollen schrittweise und "behutsam" wieder geöffnet werden. Darauf haben sich die Familienminister des Bundes und der Länder am späten Dienstagabend verständigt, wie die Hamburger Familienbehörde mitteilte. Geplant ist eine Öffnung in vier Stufen von der Notbetreuung über eine erweiterte Notbetreuung und einen eingeschränkten Regelbetrieb bis zum vollständigen Regelbetrieb. Konkrete Fristen wurden nicht beschlossen. Nach jedem Öffnungsschritt sollte das Infektionsgeschehen mindestens zwei Wochen lang beobachtet werden, bevor eine weitere Maßnahme folgt. Mediziner und Sozialverbände werfen Bund und Ländern vor, die Not der Familien in der Corona-Krise auszublenden.
"Wir fordern von der Politik, dass sie mehr Rücksicht auf die Kinder nimmt, dass sie den Blick der Kinder annimmt, dass sie Berater zur Seite nimmt, die spezifisch Kinderinteressen vertreten", sagte Jakob Maske vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte am Mittwoch in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. Für Kinder bedeuteten Abstandsregeln und Kontaktsperren tiefe Einschnitte. Es sei für die meisten Kinder "sehr schrecklich", ihre gesamten sozialen Kontakte aufgeben zu müssen. Sein Verband befürworte eine Rückkehr aller Kinder in Schulen und Kitas unter Einhaltung von Hygieneregeln.
Der Sozialverband VdK fordert einen "Rettungsschirm für Eltern". Der Entschädigungsanspruch für Eltern sei prinzipiell sinnvoll: "Doch er ist befristet und läuft in ein paar Wochen aus. Außerdem machen es all die Voraussetzungen den Eltern nur unnötig schwer. Hier muss ganz dringend nachgebessert werden", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch). Eltern, und gerade Alleinerziehende, fühlten sich alleingelassen: mit ihren finanziellen Nöten, mit der Betreuung ihrer Kinder, mit der Angst um den Arbeitsplatz.
Mütter und Väter haben seit Ende März einen Anspruch auf Entschädigung. Dieser greift, wenn sie wegen coronabedingter Kita- und Schulschließungen nicht arbeiten können. Der VdK verlangt nun, den Anspruch von 67 Prozent auf 80 Prozent des entgangenen Nettoeinkommens zu erhöhen. Er sollte nach den Vorstellungen des Sozialverbandes außerdem auch während der Kita- und Schulferien gelten. Auch müsse der von den Eltern zu erbringende Nachweis entfallen, dass es keine andere "zumutbare Betreuungsmöglichkeit" gebe.
Auch der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, plädierte für eine zeitliche Ausweitung der staatlichen Hilfszahlungen für berufstätige Eltern. "Da gibt es derzeit eine Lücke", sagte Hoffmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). Die Regelung, wonach betroffene Eltern für maximal sechs Wochen bis zu 2.016 Euro erhalten, müsse entfristet werden und "so lange gelten, bis wir aus der Krise heraus sind", forderte der DGB-Chef.
Der Grundsatzbeschluss der Familienminister zu den Kita-Öffnungen soll in das Spitzengespräch von Bund und Ländern am 30. April einfließen. Konkrete Lösungen können dann von den Bundesländern, Kommunen und Kita-Trägern vor Ort erarbeitet werden. Da kleine Kinder das Abstandsgebot nur schwer einhalten können, solle besonderer Wert auf Hygiene- und Desinfektionspläne gelegt werden, heißt es in dem Beschluss. Jedes Kind sollte sobald wie möglich wieder seine Kita besuchen können, forderte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD).
Der Deutsche Kitaverband spricht sich für einen prozentualen Betreuungsschlüssel in Kitas aus. "Die von der Trägern schwierig zu steuernde Notbetreuung muss überwunden werden", teilte der Dachverband der unabhängigen Träger von Tagesstätten am Mittwoch in Stuttgart mit. Ziel sei es, zu einem geregelten Übergangsangebot überzugehen. Der Verband fordert ein Übergangskonzept, in dem klare Rahmenbedingungen durch die zuständigen Länderministerien festgelegt werden und das auf einer prozentualen Belegung der regulären Plätze einer Kita beruht.
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