Verband: Die Not der pflegenden Angehörigen ist groß
29.04.2020
epd
epd-Gespräch: Michael Ruffert

Berlin (epd). Drei Viertel der 3,4 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden zu Hause versorgt. Susanne Hallermann vom Bundesverband "wir pflegen" fordert mehr Unterstützung für pflegende Angehörige.

epd: Frau Hallermann, wie belastet sind die pflegenden Angehörigen durch die Corona-Krise?

Susanne Hallermann: Die Belastungen für pflegende Angehörige verschärfen sich dramatisch: Täglich rufen zahlreiche Betroffene bei uns a und schildern, wie groß ihre Not ist. Viele sind verzweifelt. Denn viele Hilfen, die sie entlasten konnten, brechen jetzt weg. Nachbarn und Freunde können nicht mehr zu Besuch kommen und unterstützen, die Tagespflegen sind geschlossen, viele osteuropäischen Pflegekräfte sind abgereist.

Hinzu kommt, dass auch die häusliche Pflege neu organisiert werden muss. Die pflegenden Angehörigen haben ständig Angst, die zu pflegenden Eltern, Partner oder Kinder zu infizieren, denn diese gehören zu den Hochrisikogruppen. Diese Not auf der einen Seite und die bisherige Tatenlosigkeit der Politik auf der anderen führen dazu, dass viele pflegende Angehörige sich von der Politik völlig alleine gelassen fühlen. epd: Die Eltern nicht besuchen, Abstand halten, heißt es von der Politik. Pflegende Angehörige können dies kaum tun. Wie sollen sie sich verhalten?

Hallermann: Pflegende Angehörige müssen nah bei den schutz- und pflegebedürftigen Personen sein - gerade jetzt, wo andere Hilfen wegbrechen. Pflege bedeutet Nähe, körperlich, wie seelisch. Und sein Kind oder die Mutter mit zwei Meter Abstand zu waschen, zu versorgen und zu begleiten, ist nicht machbar. Deswegen benötigen auch die pflegende Angehörigen zu Hause Schutzkleidung und hochwertige Masken. Außerdem fordern wir Corona-Schnelltests für pflegende Angehörige, damit die Betroffenen nicht immer in der Ungewissheit leben, ob sie nicht vielleicht doch infiziert sind, auch wenn sie keine Symptome haben.

epd: Welche Hilfen sind für pflegende Angehörige jetzt besonders notwendig?

Hallermann: Neben den genannten Punkten braucht es flexible finanzielle Unterstützung, um zusätzlichen Pflegeaufwand oder auch Nachbarschaftshilfe finanzieren zu können. Berufstätige pflegende Angehörige können nicht länger vor die Wahl gestellt werden, entweder zu pflegen oder arbeiten zu gehen. Hier braucht es eine verlässliche Pflegezeit mit Lohnersatz für pflegende Angehörige. Pflegende Angehörige sind systemrelevant, genauso wie beruflich Pflegende. Die Bundesregierung, Länder und Kommunen dürfen ihnen daher das Recht auf Unterstützung und Absicherung nicht verweigern.