Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Der Zürich-Krimi: Borchert und der Tote im See" (ARD)
7.5., ARD, 20.15 Uhr
Bei seiner zweiten Arbeit für die Reihe hat der Schweizer Regisseur Florian Froschmayer nicht nur die Spannung deutlich angezogen; "Borchert und der Tote im See" wirkt insgesamt stimmiger als die in der letzten Woche ausgestrahlte Episode "Borchert und der fatale Irrtum".

Der Film ist eine gelungene Mischung aus Krimi und Thriller (Drehbuch: Hans Henner Hess), deren besonderer Reiz in der persönlichen Betroffenheit der Titelfigur (Christian Kohlund) liegt: Borcherts Patenkind Jenny (Lea Freund) ist die verwaiste Tochter seines vor zehn Jahren verstorbenen besten Freundes. Der Anwalt hatte versprochen, sich um das Mädchen zu kümmern, aber wegen eigener Probleme in den letzten Jahren kaum noch Kontakt zu der mittlerweile erwachsenen jungen Frau. Die Medizinstudentin macht ein Praktikum bei einer Stiftung, die sich um albanische Kinder kümmert. Dabei hat sie sich in den Sohn des Stiftungsschirmherrn verliebt und damit, ohne es zu ahnen, eine fatale Ereigniskette ausgelöst. Erst wird sie bei der Rückkehr aus Tirana als vermeintliche Drogenkurierin verhaftet, dann steht sie auch noch unter Mordverdacht, als Gentian Gjeluci (Peter Davor), der Vater ihres Freundes, im Zürichsee vorsätzlich von einem Motorboot überfahren wird. In dem Boot wird ihr Portemonnaie gefunden, und ein Motiv hätte sie auch: Gjeluci hat seinem Sohn den Umgang mit ihr verboten, weil er Dorian (Nicola Perot) mit der Patentochter seines Geschäftsfreundes Nikolin Kola verheiraten will. Um Jennys Unschuld zu beweisen, muss Borchert den wahren Mörder finden. Kola (Özgür Karadeniz) ist der Pate der albanischen Mafia in der Schweiz, und Gjeluci hat offenbar nicht bloß Kräuter aus Albanien importiert; aber warum musste er sterben?

Froschmayers vorige Woche ausgestrahlter erster "Zürich-Krimi" war ein Familiendrama, das mitunter Züge eines Kammerspiels trug. "Borchert und der Tote im See" wirkt schon allein wegen einiger rasant gefilmter und geschnittener Actionszenen (Kamera: Jörg Widmer) ungleich aufwändiger. Stellte der letzte Fall den Anwalt vor ein intellektuelles Rätsel, so muss er diesmal sogar sein Leben riskieren, um Kola auf die Spur zu kommen; der Pate geht selbstredend skrupellos über Leichen, um sein Geheimnis zu wahren. In dieser inhaltlichen Diskrepanz zwischen den beiden Episoden liegt nicht zuletzt der Reiz der gesamten Reihe, selbst wenn der Mafia-Film im Grunde gleichfalls ein Familiendrama ist, wenn auch mit anderen Mitteln: Wer zu Kolas Gefolgschaft zählen will, muss sich einem mit Blut besiegelten Loyalitätsritual unterziehen und einen Eid schwören; der Bruch dieses Schwurs ist gleichbedeutend mit dem Tod. Um Jenny zu retten, lässt sich Dorian auf einen Pakt mit dem Teufel ein, und spätestens jetzt wird der Film zum Thriller.

Özgür Karadeniz ist schon deshalb eine vorzügliche Besetzung für den Mafiaboss, weil seine Darstellung nicht dem gängigen Schurkenklischee entspricht. Die Polizei hat Kola längst im Visier, kann ihm aber nichts nachweisen. Der Mann ist liebenswürdig, charmant und seinem Mündel Adela (Emma Drogunova) ein vorbildlicher Patenonkel, eine interessante Parallelität, aus der das von Froschmayer bearbeitete Drehbuch keine große Sache macht: Borchert und Kola kämpfen beide für ihre Patentöchter. Die Auswahl der Schauspieler hatte allerdings zur Folge, dass die Einwanderer auch untereinander deutsch sprechen müssen, obwohl sie alle aus demselben albanischen Dorf stammen: Karadeniz hat ebenso türkische Wurzeln wie der gebürtige Berliner Burak Yigit (Kolas rechte Hand), und Emma Drogunova ist gebürtige Russin. Aber im "Zürich-Krimi" sprechen ohnehin selbst die Eingeborenen makelloses "Schriftdeutsch", obwohl die meisten Schweizer das in Wirklichkeit gar nicht können.

Eher unnötig sind auch die altväterlichen Gespräche zwischen Borchert und seinem Freund Reto. Im Grunde sind die Rotweinplaudereien nicht mehr als eine Beschäftigung für Robert Hunger-Bühler, zumal die beiden bloß tiefschürfend klingende Belanglosigkeiten austauschen. Wie musikalisches Malen nach Zahlen klingt auch eine Szene, in der Borchert zum Johnny-Cash-Song "Hurt" (verletzt) sinnend durch die nächtlichen Gassen wandert; zuvor hatte Jenny sein Hilfsangebot brüsk zurückgewiesen. Aber das Lied passt perfekt zur Stimmung: Der Anwalt war Jennys Kindheitsheld; später fühlte sie sich von ihm im Stich gelassen. Die kleinen Einwände stören ohnehin nicht weiter und können den guten Gesamteindruck des Films nicht schmälern. Mit Kola hat sich Borchert zudem einen Todfeind geschaffen. Dieses erzählerische Potenzial werden die nächsten Filme hoffentlich ebenso zu nutzen wissen wie die Möglichkeiten, die sich durch die Mitwirkung von Lea Freund ergeben, und das nicht nur, weil sie jugendlich frischen Wind in Reihe bringen könnte: Von den sieben durchgehenden Rollen sind gerade mal zwei weiblich.